Cladribin: Endlich empfohlen dpa/APOTHEKE ADHOC, 27.06.2017 09:28 Uhr
Die Aussichten von Merck auf eine Zulassung seiner Hoffnungsträgers Mavenclad (Cladribin) in Europa sind deutlich gestiegen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat sich positiv für das Arzneimittel ausgesprochen. Sieben Jahre nach dem ersten Anlauf bekommt das MS-Medikament eine zweite Chance.
Merck hat mit dem per Spritze verabreichten Mittel Rebif (Interferon beta) bereits einen Kassenschlager bei Multipler Sklerose (MS) auf dem Markt. Allerdings gehen die Erlöse wegen zunehmenden Wettbewerbs zuletzt zurück. Oral verabreichte Tabletten wie Cladribin sind einfacher zu handhaben, weshalb der Konzern seine Hoffnungen auf das Mittel setzt. „Die positive Stellungnahme ist für Merck ein bedeutender Schritt“, erklärte Pharmachefin Belén Garijo.
Die Tabletten könnten dann in der Stärke 10 mg zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidivierenden Formen der MS auf den europäischen Markt kommen. Cladribin soll die Häufigkeit der Schübe mindern und so die Krankheitsprogression verzögern. Das Arzneimittel lindert vermutlich durch Reduktion der Anzahl von T- und B-Lymphozyten Entzündungen im zentralen Nervensystem. Auch auf das Zytokinprofil könne Cladribin Einfluss nehmen und so antientzündlich wirken. Gibt die EU-Kommission grünes Licht, kann Mavenclad schon bald auf den Markt kommen. Eine Entscheidung wird bis spätestens Jahresende erwartet – in der Regel folgt die Kommission den Empfehlungen des Beratergremiums.
Der Wirkstoff zählt zur Stoffgruppe der Zytostatika und wird als Infusionslösung bereits zur Behandlung der Haarzellen-Leukämie eingesetzt. Das Prodrug wird in den Körperzellen zum aktiven Triphosphat phosphoryliert. Der aktive Metabolit baut sich als falscher Bestandteil in die DNA ein und hemmt die Polymerasen. Die Zellteilung wird unterbrochen und es kommt schließlich zur Apoptose. Der Antimetabolit verursacht somit Strangabbrüche und verbraucht Lymphozyten. Während der Behandlung sind Nebenwirkungen wie Lymphopenie, Infektionen, Hautausschläge und Herpes zoster möglich.
Die Entscheidung der EMA beruht auf den Ergebnissen aus drei Phase-III-Studien mit 1326 Patienten mit schubförmiger remittierender MS (RRMS), die Verum oder Placebo erhielten. Die Daten wurden für den Zulassungsantrag eingereicht. Die Studien zeigten eine signifikante Minderung der Rückfallrate.
Schon vor ein paar Jahren hatte Merck versucht, die Tablette auf den Markt zu bringen. 2010 wies die EMA den Antrag des Konzerns wegen Sicherheitsbedenken zurück. Daraufhin nahm Merck das Mittel vom russischen und australischen Markt, wo es damals bereits zugelassen war. Geplant ist, das Mittel außer in Europa unter anderem auch auf den wichtigen US-Markt zu bringen.
Konkurrenzprodukte zur Behandlung der MS sind Copaxone (Teva), Interferone wie Avonex, Rebif, Betaferon und Extavia sowie weitere Immunmodulatoren wie Tecfidera (Dimethylfumarat), Tysabri (Natalizumab), Aubagio (Teriflunomid) sowie der Sphingosin-1P-Agonisten Gilenya (Fingolimod). Gilenya und Aubagio sind derzeit die einzigen oralen MS-Therapien.