Solange die Bauchspeicheldrüse noch funktioniert gibt es zahlreiche Therapieoptionen. Den Grundstein bildet weiterhin der Lebensstil – Ernährung und Bewegung führen zu einer dauerhaften Senkung des Blutzuckers. Doch auch die Kontrolle und frühzeitige Prävention sind unabdingbar. Durch Aufklärung und eine hohe Therapieakzeptanz kann ein manifester Diabetes verhindert werden. Die zukünftige Diabetestherapie sollte deshalb vor allem personalisiert sein. Im Zuge der besseren Compliance und Verfolgung der Therapieziele sollte zudem eine Digitalisierung der Therapie erfolgen.
Diabetes kann als Volkskrankheit bezeichnet werden. In Deutschland leiden circa 7,2 Prozent der Erwachsenen bis 79 Jahren an Diabetes mellitus. Dabei entfallen rund 90 Prozent davon auf den Typ-2-Diabetes. Doch erhöhte Blutzuckerwerte allein sind keine Einbahnstraße.
Diabetes ist, insofern es sich um Typ-2 handelt, eine schleichende Erkrankung. Aktuell geht man davon aus, dass rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland mit unerkanntem Diabetes leben. Nicht nur aufgrund des demografischen Wandels werden die Erkrankungszahlen zunehmen. Auch der veränderte Lebensstil trägt zu einer früheren Entstehung der Zuckerkrankheit bei. Berechnungen zufolge könnte die Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes in Deutschland bis 2040 auf bis zu 12,3 Millionen ansteigen. Durchbricht man die bisher klassische Diabetikerkarriere, so könnte die zukünftige Gesamtzahl an Diabetikern gesenkt werden.
Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel und Fehlernährung – diese vier Punkte sind neben dem Alter und der genetischen Disposition die größten Einflussfaktoren. Umgekehrt ausgedrückt: Gesunde Ernährung und ein ausreichend aktiver Lebensstil können einem zu hohen Blutzucker entgegenwirken. Um die klassische Diabetikerkarriere von anfänglicher Fehlernährung, über Übergewicht, bis hin zur Insulinpflicht zu durchbrechen gilt es also frühestmögliche Prävention zu betreiben.
Diabetes tut nicht weh, zumindest nicht zu Beginn der Erkrankung. Für viele Betroffene sind Spätfolgen wie der diabetische Fuß, die Retinopathie oder das erhöhte Risiko für Nierenschäden nur schwer greifbar. Umso wichtiger ist es, die bevölkerung frühzeitig aufzuklären. Zum einen über allgemeine Kampagnen, zum anderen individuell auf allen Ebenen des Gesundheitswesens. Die Allgemeinmediziner und Fachärzte sollten regelhaft zusammenarbeiten. Digitale Technologien können die gemeinsame Therapie unterstützen. Um in der Zukunft Patientendaten gemeinsam besser nutzen zu können fordern Mediziner datenschutzkonforme Open-Source-Lösungen. Durch technische Unterstützung sei eine engmaschigere Therapie ohne stark erhöhten Dokumentationsaufwand möglich. Einmal dokumentierte Therapiefortschritte könnten von allen Beteiligten eingesehen werden. In einem weiteren Schritt könnte auch die Apotheke miteingeschlossen werden. Apotheker:innen und PTA begleiten die Patienten zum Teil auf eine andere Art und Weise, als die Ärzte. Im Handverkauf werden oftmals weitere Probleme oder Alltagsherausforderungen angesprochen. Auch die Apotheke könnte für eine ganzheitlichere Versorgung in den digitalen Dialog mit den Praxen treten.
Generell könnten digitale Lösungen in der Prävention effektiver und effizienter als analoge Vorgehensweisen sein. Durch Videos und Seminare kann eine größere Masse an Menschen erreicht werden. Doch Mediziner warnen: Videos alleine könnten nicht der Maßstab einer vollumfänglichen Diabetes-Therapie sein. Eine Adhärenz entstehe nicht nur „Lehrbeiträge“ sondern durch den Dialog mit den Patient:innen. Was beschäftigt jeden einzelnen? Wo gibt es Hürden im Alltag und wo benötigt es Unterstützung? Durch Apps, die individuell anpassbar sind, könnte eine Adhärenz besser unterstützt werden. Digitale Ansätze bieten zudem eine neue Möglichkeit die Schwelle zur Teilnahme an Präventionsmaßnahmen zu senken. Durch regelmäßiges Feedback, beispielsweise in Form eines digitalen Tagebuches, könnte die Motivation zur Lebensstilmodifikation langfristig gesteigert werden.
Auch in der neuen Auflage der Nationalen Versorgungsleitlinie des Typ-2-Diabetes bleibt die Basis der Therapie weiterhin die nichtmedikamentösen Maßnahmen. Hierzu zählen neben speziellen Schulungen zum Krankheitsbild auch ein individuelles Gewichtsmanagement, eine Ernährungstherapie und die körperliche Bewegung im Alltag. Regelmäßige Spaziergänge oder kleine Radtouren reichen häufig schon aus, um in einem ersten Schritt eine Verbesserung der Blutzuckerwerte zu erfahren. Generell gilt, dass Therapieziele nicht über Nacht erreicht werden können und nur in Absprache und mit Zustimmung des Patienten erreicht und dauerhaft gehalten werden können. Häufiger als alle drei bis sechs Monate sollte das Erreichen der Therapieziele nicht durch einen Arzt kontrolliert werden. Eine engmaschigere Selbstkontrolle mittels digitaler Unterstützung kann unter Umständen zu einer besseren Motivation führen, so Experten.
Das individuelle Risiko an Typ-2-Diabetes zu erkranken kann heutzutage mit Hilfe evaluierter und etablierter RisikoScores ermittelt werden. Umso früher die betroffenen Personen benachrichtigt werden, desto höher die Chancen einen Diabetes zu umgehen. Im Sinne einer Nationalen Präventions-Strategie wäre es darüber hinaus sinnvoll systematisch Daten durch Haus- und Fachärzte erheben zu lassen, urteilen Experten. Die Auswertung dieser großen Datenmenge könnte nicht nur bei der Ausrichtung weiterer Aufklärungskampagnen helfen. Auch die Gesamtsituation des Diabetes in Deutschland ließe sich hierdurch besser beurteilen. Aus Patientensicht ist ein weiterer Punkt sehr wichtig: Die Kompatibilität. Alle Neuerungen sowohl auf Geräte- als auch auf App-Ebene bringen dem Endverbraucher nichts, wenn sie untereinander nicht kombiniert werden können. Demnach kommt auch der Industrie bei der Digitalisierung der Therapie eine Schlüsselrolle zu. Betroffene fordern „ein Konzept für alles“ – keine Hersteller-spezifischen Lösungsansätze.
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