Kaiserschnitte sind in Deutschland doppelt so häufig wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen. Inzwischen werde bei fast 30 Prozent aller Geburten per Kaiserschnitt entbunden, die WHO halte jedoch nur 10 bis 15 Prozent für nötig, kritisierte der Chefarzt der Berliner DRK-Kliniken Westend, Professor Dr. Heribert Kentenich.
Der Experte schätzt, dass nur zwei Prozent aller Geburten in Deutschland von vorneherein einen Kaiserschnitt erfordern. „Ein harter medizinischer Grund ist zum Beispiel, wenn der Mutterkuchen vor dem Muttermund liegt“, sagte er. Bei weiteren zehn Prozent sei ein Kaiserschnitt während der Geburt nötig, weil dem Baby zum Beispiel Sauerstoffmangel drohe. Ängste vor der Geburt zählten hingegen zu den weichen Faktoren für einen Kaiserschnitt.
In vielen Kliniken gibt es nach Kentenichs Meinung ein wirtschaftliches Interesse an den Operationen. „Eine spontane Geburt bringt einem Krankenhaus bei Kassenpatienten rund 1600 Euro ein, ein Kaiserschnitt hingegen 2800 Euro.“ Bei Privatpatientinnen sei die Spanne noch deutlich größer. Gründe für einen Kaiserschnitt ließen sich auf dem Papier auch bei weichen Indikatoren gut finden.
Dennoch bleibe vor allem für Frauen, die noch mehr Kinder wollten, eine natürliche Geburt aus medizinischer Sicht sinnvoller. „Nach einem Kaiserschnitt wird eine Frau nicht mehr so gut schwanger. Da ist dann eine Narbe in der Gebärmutter“, erläuterte Kentenich. Auch für die Kinder sei eine natürliche Geburt besser, sagte Kentenich. „Sie sind nach dieser Anstrengung wesentlich fitter als nach einem Kaiserschnitt.“ So hätten etwa rund zehn Prozent der Kaiserschnitt-Babys vorübergehend Lungenprobleme.
Kentenich fordert mehr Zeit für Gespräche vor der Geburt. Jede Frau habe Angst vor einer Geburt. Für diesen psychologischen Aspekt müsse man sich Zeit nehmen, auch wenn das Arzt und Frau Mühe koste. „Ängste lassen sich nicht mit dem Messer lösen“, sagte der Geburtsmediziner.
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