Auflage zur Nutzenbewertung

Zolgensma: Ärzte müssen Daten liefern

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Berlin -

Zum ersten Mal verpflichtet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Hersteller, Daten zu seinem Arzneimittel in der klinischen Routine zu erheben und für eine Zusatznutzenbewertung auszuwerten. Mit der sogenannten anwendungsbegleitenden Datenerhebung sollen Informationen zu Nutzen- und Schadenspotential von Zolgensma (Onasemnogen-Abeparvovec), einer neuartigen Gentherapie gegen eine bestimmte Form der spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Kindern, gesammelt werden.

Zolgensma war mit Auflagen seitens der europäischen Zulassungsbehörde auf den Markt gekommen. Aufgrund der begrenzten Aussagekraft der bisher vorhandenen klinischen Daten lässt sich der therapeutische Stand im Vergleich zu Behandlungsalternativen noch nicht abschließend bewerten. Dazu kommt der hohe Preis – Zolgensma ist mit Kosten in Millionenhöhe das teuerste Medikament der Welt. Der G-BA beschloss daher, dass Hersteller Novartis eine entsprechende Registerstudie planen und umsetzen muss, um die Evidenzlücken zu schließen.

Ärztinnen und Ärzte, die Zolgensma einsetzen wollen, werden daher verpflichtet, an der Datenerhebung teilzunehmen. So sollen möglichst vollständige Daten gesammelt werden, die nach Auswertung durch den Hersteller die Grundlage für eine erneute Zusatznutzenbewertung bilden. Möglich ist dieses Vorgehen durch eine gesetzliche Änderung im Jahr 2019.

„Wir bekommen immer früher zugelassene Arzneimittel mit immer schwächerer Evidenz in die Versorgung. Wir müssen versuchen – gerade bei Arzneimitteln gegen seltene Leiden –, die Balance zu halten zwischen dem Bedarf dringend benötigter Behandlungsalternativen und guter Evidenz zum langfristigen Zusatznutzen eines Arzneimittels“, so Professor Dr. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA. Die für die Zulassung und die initiale Bewertung verfügbaren Studien kämen an ihre Grenzen.

Zolgensma soll bei einmaliger Gabe das Fortschreiten der Muskelschwäche bei bestimmten SMA-Formen aufhalten. „Vergleichende langfristige klinische Daten dazu fehlen jedoch“, so Hecken. Der in diesem Herbst anstehende Beschluss des G-BA zum Zusatznutzen von Zolgensma könne entsprechend nur vorläufig sein. „Bisher hatten wir in dieser Situation nur die Möglichkeit, Beschlüsse zum Zusatznutzen zu befristen und dem Hersteller Hinweise zu benötigten Daten zu geben. Seit einer Gesetzesänderung 2019 können wir die Anwendung des Arzneimittels nun zwingend mit einer von uns vorgegebenen Fragestellung zur Datenerhebung aus der Versorgungspraxis verbinden. Mit den aus dem Behandlungsalltag der Patientinnen und Patienten gewonnenen Daten zum langfristigen Zusatznutzen wird der G-BA spätestens ab Sommer 2027 erneut über Zolgensma beraten.“

Für die anwendungsbegleitende Datenerhebung bei Zolgensma hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des G-BA ein Konzept entwickelt. Darauf aufbauend und unter Einbeziehung von Experten – zum Beispiel der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) – hat der G-BA Anforderungen an die Art, die Dauer und den Umfang der Datenerhebung; an die Fragestellung, die Gegenstand der Datenerhebung und von Auswertungen sein soll, einschließlich der zu erfassenden patientenrelevanten Endpunkte; an die Methodik der Datenerhebung sowie an die Auswertungen durch den pharmazeutischen Unternehmer definiert. Nach diesen Vorgaben wird der Hersteller das genaue Studienprotokoll inklusive Analyseplan erstellen und dem G-BA zur Prüfung vorlegen.

Auf der Basis von mehreren Zwischenanalysen des Herstellers überprüft der G-BA die Datenerhebung und passt die Anforderungen gegebenenfalls an. Vorgesehen ist, dass mit Hilfe von Indikationsregistern möglichst 500 Kinder mit präsymptomatischer SMA und mit SMA-Typ-1 und 2, die älter als 6 Monate resp. 6 Wochen sind, in die Datenerhebung eingeschlossen werden. Die Therapie mit Zolgensma wird dabei gegenüber dem Einsatz von Spinraza (Nusinersen) verglichen, einem ebenfalls zur SMA-Behandlung zugelassenen Arzneimittel. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Datenauswertung soll auf Todesfälle, Krankheitsverläufe inklusive schwerer Komplikationen und Nebenwirkungen gelegt werden.

„Die anwendungsbegleitende Datenerhebung ist kein Allheilmittel und wird nur für wenige Wirkstoffe in Frage kommen“, versichert Professor Dr. Jürgen Windeler, Leiter des IQWiG. „Vielversprechend scheint sie vor allem bei neuen Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen und bei beschleunigten Zulassungen. Zolgensma ist so gesehen ein aussichtsreicher Kandidat, um Evidenzlücken durch aussagekräftige Versorgungsdaten zu füllen.“

Laut § 35a Absatz 3b Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB V) kann der G-BA seit Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom pharmazeutischen Unternehmer die Vorlage anwendungsbegleitender Datenerhebungen und Auswertungen einfordern. Im vergangenen Jahr hat der G-BA die Details zum Verfahren in seiner Verfahrensordnung festgelegt.

Für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP) kann der G-BA in einer Richtlinie auch qualitätssichernde Anforderungen an die vertragsärztliche und stationäre Anwendung festlegen. Bereits im November hatte der G-BA für alle Einrichtungen, die Zolgensma bei Säuglingen mit SMA einsetzen wollen, im Interesse der Patientensicherheit hohe Qualitätsstandards definiert.

 

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