Lieferengpässe sind Dauerthema in den Apotheken. Derzeit sind mehr als drei Millionen Versicherte von Engpässen betroffen. Das ist das Ergebnis einer Auswertung der vertragsärztlichen Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2022 bis 2024, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) veröffentlicht hat. Das Fazit: „Das ALBVVG hat keinen nachhaltigen Effekt“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Rund 500 Lieferengpässe sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das im Juli 2023 in Kraft getreten ist, Besserung bringen. Doch die Auswertung des Zi zeigt: „Die mit der Sonder-Pharmazentralnummer dokumentierten Engpässe haben Ende des dritten Quartals 2024 wieder das Niveau von Anfang 2022 erreicht.“
Kurzum: „Das ALBVVG hat keinen nachhaltigen Effekt“, so von Stillfried. Eigentlich sollte das ALBVVG die Arzneimittelversorgungssicherheit kurz- und langfristig stärken sowie die Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln und die Antibiotikaherstellung in der Europäischen Union sichern. Doch weil sich die Verfügbarkeit bei Fiebersäften wieder stabilisierte, wurde von Januar bis Juli dieses Jahres in weniger als 1400 Fällen auf die Rezepturherstellung ausgewichen.
„Für einige Lieferengpässe stehen ausreichend Alternativen zur Verfügung. Andere hingegen verschlechtern die Versorgungslage der betroffenen Versicherten.“ Ein Beispiel sind die GLP-1-Rezeptoragonisten. Für die Wirkstoffgruppe bleibt die Versorgungslage hoch angespannt. Ein Wechsel auf den momentan einzig lieferbaren Wirkstoff Tirzepatid lässt die Kosten in Höhe steigen – die Therapiekosten sind mindestens auf das Doppelte der früheren Therapien angestiegen, so von Stillfried.
„Viele Lieferengpässe, etwa bei einzelnen Antibiotika oder Asthmasprays mit dem Wirkstoff Salbutamol, dauern monatelang an – ohne, dass die Politik interveniert“, mahnt der Zi-Vorsitzende. Trotz zahlreicher finanzieller Anreize des Gesetzgebers bleibe das Strukturproblem ungelöst: Die zu geringe Anzahl der Wirkstoffhersteller. „Insofern war das Gesetz lediglich ein kleines Pflaster auf einige der Versorgungslücken.“ Insgesamt scheint der öffentlich sichtbare Nutzen der gesetzlichen Maßnahme aber eher gering. Wie hoch dagegen die Kosten des Gesetzes ausfallen, können nur die gesetzlichen Krankenkassen beurteilen.
Außerdem wurde durch das Pflegestudiumstärkungsgesetzes (PflStudStG) für die Apotheken die Möglichkeit geschaffen, anstelle eines nicht lieferbaren Fertigarzneimittels eine wirkstoffgleiche Rezeptur oder eine andere Darreichungsform abzugeben. Damit sollte vor allem den im Jahr 2023 hochproblematischen Engpässen bei Fiebersäften begegnet werden. Deren Verfügbarkeit hat sich jedoch wieder stabilisiert, so dass das Ausweichen auf eine Rezeptur von Januar bis Juli 2024 in weniger als 1400 Fällen notwendig war.
Im Dezember 2022 hatten die Lieferengpässe einen brisanten Höhepunkt erreicht. Damals dokumentierten die Apotheken für rund sechs Millionen Versicherte – entspricht 24 Prozent aller Patient:innen – die Nichtverfügbarkeit des nach Rabattvertrag abzugebenden Präparats. Im Januar 2023 lag der Wert mit 25 Prozent noch höher. Es fehlten vor allem Kinderarzneimittel wie Fieber- und Antibiotikasäfte.
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