Abschwellende Nasensprays und -tropfen für Kinder sind zu hoch dosiert. Als erster Hersteller hebt GlaxoSmithKline (GSK) die Altersgrenze für Otriven an – und spiegelt damit das Verordnungsverhalten vieler Pädiater wider.
Nur in Ausnahmefällen seien abschwellende Tropfen und Sprays für Kinder zu empfehlen, so Dr. Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte (BVKJ) in Berlin. „Es geht gar nicht so sehr um den Suchteffekt. Dieser ist weniger entscheidend.“ Vielmehr gehe um die akuten Nebenwirkungen.
Zwar wirken Nasensprays und -tropfen in erster Linie lokal als Vasokonstriktoren. Doch selten rufen sie auch systemische Effekte am Zentralnerven- beziehungsweise Herzkreislaufsystem hervor. Auch in den Beipackzetteln finden sich Hinweise, dass systemische Wirkungen bei höheren Dosen auftreten können.
Zu den bekannten Nebenwirkungen gehören Herzklopfen, Tachykardie und Hypertonie – diese werden mit einer Häufigkeit von 1 bis 10 von 10.000 Kindern angegeben. Seltener sind Arrhythmien, Konvulsionen, Halluzinationen und Apnoe, die bei weniger als jedem 10.000 Kind auftreten.
Auch um Nasenbluten und das Austrocknen der Nasenschleimhaut zu vermeiden, verordneten er und seine Kollegen die entsprechenden Präparate nur zurückhaltend, so Maske. Nur in ernsten Fällen – etwa bei Atemproblemen oder damit verbundenen Schlafstörungen – kämen die Produkte zum Einsatz.
Die neue Dosierung bei Otriven passt laut Maske zum Verordnungsverhalten der Pädiater: „0,1-prozentige Formulierungen nehmen wir für unter 18-Jährige überhaupt nicht“, sagt er. Allenfalls werde zur 0,05-prozentigen Formulierung geraten. In der Säuglingsnase wiederum haben laut Maske Präparate mit mehr als 0,025 Prozent nichts zu suchen.
Auch im LABOR, der Apotheken-Crowd von APOTHEKE ADHOC, wurde über die Dosierung von Nasensprays diskutiert. Ein Teilnehmer findet, dass er die Sprays für Erwachsene immer schon zu „scharf“ für Schulkinder fand: „Selbst mancher Erwachsene kauft bei uns nur das Kinderspray, weil ihm das Erwachsenenspray zu heftig ist.“
Macht nur Sinn, wenn alle Firmen mitziehen, fand ein anderer Teilnehmer. Eine weitere Sichtweise: „Wenn sich BfArM, EMA oder die WHO mal abstimmen würden. Ich habe das Gefühl, die eine Behörde in Europa setzt die Maximaldosis rauf, die andere runter und wir deutschen Apo-Mitarbeiter müssen dem Kunden irgendwie vermitteln, warum sich die Altersgrenzen jetzt wieder ändern.“
Ein anderer Teilnehmer sah die Debatte eher als „Aufreißer zur Glaeske-Profilierung”: Privinismus, also die Entwicklung einer Abhängigkeit, könnten Apothekenmitarbeiter nicht verhindern. Und wieder andere Teilnehmer sehen ganz andere Prioritäten: „Anstatt die Altersgrenze zu verschieben, sollten bei Kindern prinzipiell konservierungsmittelfreie Produkte angeboten werden.“
GSK hatte die Altersgrenze für das Otriven-Nasenspray von sechs auf zwölf Jahre angehoben; weitere Produkte der Reihe sollen folgen. Der Konzern begründet die Maßnahme mit einer auf Kinder umgerechneten WHO-Berechnung für Xylometazolin. Die anderen großen Hersteller von Nasensprays und –tropfen sehen keinen Bedarf zur Senkung ihrer Abgabegrenzen oder Dosierungsempfehlungen. So gaben Ratiopharm, Stada und Aliud oder Aristo an, dass Anpassungen noch nicht geplant seien.
Die WHO gibt seit 1984 statistische Referenzwerte zur täglichen Durchschnittsdosierung verschiedener Wirkstoffe an. Diese Berechnungen zur „Define Daily Dose“ (DDD) sind keine pharmazeutische Empfehlung. Für Erwachsene gelten in der Regel maximal 0,8 mg Xylometazolin pro Tag. GSK leitet gemäß der Clark’s Rule für Kinder bis 10 kg Körpergewicht 14 Prozent der Tagesdosis für Erwachsene ab. Für Kinder bis 40 kg Körpergewicht leitete der Konzern bis zu 57 Prozent der Tagesdosis für Erwachsene ab.
Xylometazolin, Oxymetazolin und Naphazolin stimulieren die Alpha-1-Adrenorezeptoren des sympathischen Nervensystems. Dadurch kommt es lokal zur Kontraktion der glatten Muskulatur, in Gefäßen entsprechend zu einer Vasokonstriktion. Dies führt zum Abschwellen der Blutgefäße in der Schleimhaut. Bei längerer Anwendung kommt es kompensatorisch zu einer Vasodilatation. Diese Toleranz führt unter Umständen zur Abhängigkeit.
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