Gerinnungshemmer

Xarelto: Längerer Patentschutz durch Kinder-Zulassung dpa/APOTHEKE ADHOC, 25.11.2019 14:19 Uhr

Patentschutz bis April 2024? Bayer will nach erfolgreicher Zulassungserweiterung von Xarelto für Kinder eine Verlängerung des Patentschutzes erwirken. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer hat nun auch offiziell die Zulassung seines Gerinnungshemmers Xarelto zur Behandlung von Blutgerinnseln bei Kindern in Europa eingereicht. Bereits im Juli hatte Bayer diesen Schritt angekündigt. Durch die Zulassung in der neuen Indikation könnte Bayer einen verlängerten Patentschutz beantragen, der andernfalls in wenigen Jahren wegfallen würde.

Der Entschluss basiert auf Daten der Phase-III-Studie „Einstein-Jr." : Die Daten zeigten bei Kindern das gleiche niedrige Risiko für eine erneute venöse Thromboembolie (VTE) wie beim Therapiestandard mit Heparin allein oder in Verbindung mit einem Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin, so Bayer. Zu den VTE zählen Blutgerinsel im Gehirn und der Hirnhaut, die Lungenembolie sowie die tiefe Venenthrombose. Diese Embolien würden immer häufiger bei Kindern diagnostiziert, die im Krankenhaus liegen.

In der Studie wurde eine 20 mg Rivaroxaban entsprechende Dosierung (angepasst an das Körpergewicht) zur Prävention von erneut auftretenden VTE bei Kindern vom Neugeborenenalter bis 17 Jahre mit bestätigter VTE getestet. Die Ergebnisse seien vergleichbar mit der Wirksamkeit und Sicherheit, die aus früheren Studien mit erwachsenen Patienten bekannt sind. Schwere Blutungen seien in der Rivaroxaban-Gruppe während der Studie nicht aufgetreten. In der Studie wurden wurden 500 Kinder von der Geburt bis zum Alter von 17 Jahren mit nachgewiesener akuter VTE untersucht, bei denen bereits mit einer Heparinbehandlung begonnen worden war.

Die derzeitige Behandlung von VTE bei Kindern beruht oft auf der Injektion von Gerinnungshemmern und erfordert eine Laborüberwachung und Dosisanpassung. Bislang basierten die pädiatrischen Therapien mit Gerinnungshemmern vor allem auf Beobachtungsdaten und auf der Extrapolation von Daten, die bei Erwachsenen gewonnen wurden. Die Behandlung mit Xarelto hat laut Bayer den Vorteil einer im Vergleich zur Standardtherapie niedrigeren Anzahl an nötigen Injektionen und Blutproben.

Xarelto ist mit einem Erlös von 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2018 derzeit wichtigster Umsatztreiber im Pharmageschäft der Leverkusener und in mehreren Indikationen für Erwachsene zugelassen, wie etwa der tiefen Venenthrombose, der Prävention von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern sowie bei Lungenembolien. Das Mittel wird außerhalb der USA von Bayer vermarktet, auf dem US-Markt selbst durch eine Tochter des US-Konzerns Johnson & Johnson. Allerdings droht bereits in wenigen Jahren der Wegfall des Patentschutzes für Xarelto, Konkurrenten könnten dann Nachahmermittel auf den Markt bringen. Auch vor diesem Hintergrund erklärte Bayer an diesem Montag, eine Verlängerung des Patents um sechs Monate zu beantragen, sobald Xarelto auch in der neuen Indikation zugelassen ist. Dadurch würde der Patentschutz für Xarelto in Europa bis April 2024 verlängert, hieß es weiter.

In den USA wiederum hat Bayer wegen seines Blockbusters erheblich Probleme: Rund 25.000 Patienten und Angehörige haben wegen möglicher Gesundheitsschäden durch den Gerinnungshemmer geklagt. Die Kläger machen das Arzneimittel für unerwünschte Blutungen und sogar Todesfälle verantwortlich. Im März kündigte Bayer an, die Streitigkeiten mit einem 775 Millionen Dollar schweren Vergleich beenden zu wollen. Vergangenen Oktober musste Bayer eine Xarelto-Studie abbrechen, nachdem es zu einem Anstieg der Gesamtmortalität sowie Thromboembolien und Blutungsereignissen bei Patienten nach einem kathetergestützten perkutanen Aortenklappenersatz kam.

In Deutschland war Xarelto vor kurzem wegen einer Reihe von Fälschungen ein Thema: Nach den Fälschungen im Sommer wurden vor wenigen Wochen vier weitere gefälschte Chargen bestätigt. Bei den betroffenen Packungen handelt es sich um Xarelto 20 mg à 28 Tabletten in polnisch-slowakischer Aufmachung. Drei der vier neu entdeckten, gefälschten Chargen tragen real existierende Chargenbezeichnungen. Bei allen handelt es sich um nicht serialisierungspflichtige Altware. Die Herkunft der Fälschung wird untersucht.