Mit dieser Frage haben sich Forschende am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) auseinandergesetzt. Dabei stießen sie auf ein Protein, das in allen klinisch relevanten Pockenviren vorkommt. Dieses Wissen kann zukünftig bei der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln berücksichtigt werden. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal Nature Structural & Molecular Biology veröffentlicht.
„Wir wissen, dass Pockenviren nur dann infektiös sein können, wenn ihr viraler Kern vollständig geformt ist. Aber woraus besteht dieser ‚Pockenvirus-Kern‘, der gemeinsame Kern der klinisch relevanten Pockenviren, und wie setzen sich seine einzelnen Komponenten zusammen und wie funktionieren sie?“, fragt Florian Schur, Assistenzprofessor und Studienleiter am ISTA.
Was sich im Kern des Pockenvirus‘ befindet, konnten Schur und sein Team nun bestimmen. Es handelt sich um das Protein A10, das darüber hinaus einer der Hauptbausteine des Pockenvirus-Kerns ist. Das genannte Protein konnte in allen klinisch relevanten Pockenviren nachgewiesen werden. „Frühere Experimente in der Virologie, Biochemie und Genetik legten mehrere mögliche Pockenvirus-Kernproteine nahe, aber es waren keine experimentell abgeleiteten Strukturen verfügbar“, weiß Julia Datler, PhD-Studentin am ISTA und eine der Erstautor:innen der Studie.
Als Ausgangspunkt nutze das Forschendenteam den viralen Kern des Virus‘. Diesen haben alle infektiösen Arten der Pockenviren gemein. Daher begann das Team mit der KI-gestützten Computer-Modellierung der Strukturen der wichtigsten Kernproteinkandidaten.
Parallel dazu legte Datler die biochemischen und strukturbiologischen Grundlagen des Projekts durch die kryogene Elektronenmikroskopie, kurz ‚Kryo-EM‘. Dabei handelt es sich um eine Mikroskopieform, bei der mit biologische Proben bei kryogenen Temperaturen – minus 150 Grad Celsius – untersucht werden.
„Wir haben viele der fortschrittlichsten verfügbaren Kryo-EM-Techniken mit der strukturellen Modellierung durch AlphaFold kombiniert. Dadurch erhielten wir zum ersten Mal einen detaillierten Überblick über den Pockenvirus-Kern – den ‚Bioreaktor‘ im Inneren des Virus, der das virale Genom umschließt und es in infizierten Zellen freisetzt“, erläutert Schur.
„Es war ein ziemliches Wagnis, aber wir haben es schließlich geschafft, die richtige Kombination von Techniken zu finden, um diese komplexe Frage zu untersuchen“, ergänzt Jesse Hansen, Postdoktorand und Co-Erstautor der Studie.
Als Pockenvirus-Modell der Studie diente den ISTA-Forschenden das ungefährliche Vacciniavirus. Dabei untersuchten sie nicht nur vollständige, reife Viruspartikel sondern auch isolierte und aufgereinigte Viruskerne. Zur vollständigen Analyse kombinierten die Forschenden unterschiedliche Analyseverfahren, „um einen Gesamtüberblick über den Pockenvirus-Kern zu erhalten“, so Datler.
Die Kryo-Elektronentomographie ermöglicht es den Wissenschafter:innen, 3D-Volumina einer biologischen Probe bis zur Größe eines ganzes Virus zu rekonstruieren, indem sie Bilder aufnehmen, während sie die Probe schrittweise kippten. „Es ist, als würde man einen CT-Scan des Virus machen“, erklärt Hansen. „Die Kryo-Elektronentomographie ermöglichte es uns, Auflösungen im Nanometerbereich für das gesamte Virus, seinen Kern und sein Inneres zu erreichen“, weiß Schur.
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