„Nano-Mais“ als Wirkstoff-Taxi Deniz Cicek-Görkem, 21.08.2017 15:06 Uhr
Um in der Lunge zu wirken, bieten sich inhalierbare Arzneimittel an. Doch auch sie müssen Barrieren wie den Schleim der Atemwege überwinden. Pharmazeuten der Universität des Saarlandes haben in Zusammenarbeit mit weiteren Kollegen ein inhalierbares Vehikel entwickelt, das den „Wirkstoff“ zu den Lungenzellen transportiert und so am Wirkort freisetzt. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachjournal „Advanced Healthcare Materials“.
Krankheiten wie Mucoviszidose gehen mit einer erhöhten Aktivität der alveolären Makrophagen, den Lungenzellen, einher. Diese schütten vermehrt Zytokine aus und folglich wirken die eingesetzten Arzneimittel nicht oder nur eingeschränkt. „Ziel ist es daher, die Bildung dieser Stoffe herunterzuregulieren“, sagt Professor Dr. Marc Schneider, Lehrstuhlinhaber für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie an der Universität des Saarlandes. „Die Makrophagen sind in diesem Zusammenhang die Zielzellen.“
Ein Ansatz könnte der sogenannte „Nano-Mais“ sein, den die Arbeitsgruppe um Schneider in Kooperation mit weiteren Forschern entwickelt hat. Dieser Transporter ist 10.000 mal 3000 Nanometer klein und entspricht ungefähr der Größe eines Bakteriums. Er ist mit DNA, dem „Wirkstoff“, beladen, die die Fresszellen des Immunsystems genetisch modifizieren soll. Die Makrophagen fressen das zylinderförmige Vehikel auf und produzieren in der Folge weniger entzündungsfördernde Proteine. Der Transporter könne so in der Co-Behandlung eingesetzt werden, um die biologischen Randbedingungen zu optimieren. „Eine Reduktion der Zytokin-Ausschüttung führt zu einer besseren Wirkung der eingesetzten Arzneimittel“, so Schneider.
Da die Partikelgröße einen Einfluss auf die Freisetzung hat, wurde diese so ausgewählt, dass die Partikel beim Inhalieren im tiefen Lungengewebe landen. „Zudem stellen wir über die Größe sicher, dass nur die Immunzellen, vor allem die Makrophagen, den Transporter aufnehmen“, erläutert Schneider. Auch die Form des Vehikels spielt dabei eine Rolle: „Stäbchenförmige Partikel sind lungengängig, werden also in die Lunge aufgenommen. Außerdem bieten sie ein großes Volumen für die Ladung, die transportiert werden soll. Daher wollten wir ein Transportsystem mit dieser Form entwickeln“, sagt Schneider. Bei ihrer Forschung arbeiteten die Pharmazeuten mit Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät, des Leibniz-Instituts für Neue Materialien (INM) und der Universität Marburg zusammen.
Eine strukturelle Integrität des Transporters erreichten die Forscher mit Plasmid-DNA (pCMV-Luciferase) und Polyethylenimin, das im Gene delivery eingesetzt wird. Das Polymer dient als Klebstoff; außerdem setzt es die DNA aus dem System frei. Die optimale Beladung mit dem genetischen Material untersuchte der Arbeitskreis von Schneider zusammen mit Kollegen des INM.
Die Erfinder dieser kleinen Transporter blicken auf jahrelange intensive Forschungsarbeit zurück. Die Herstellung war mit viel Aufwand verbunden: Zunächst füllten sie die Nano-Partikel in stäbchenförmige Membran-Schablonen mit vielen kleinen Löchern, so dass sich ein Nano-Röhrchen mit vielen kleinen Kugeln bildete. Um eine stabile Struktur zu erreichen, wurden die Moleküle Lage für Lage miteinander verknüpft, darunter auch die Arzneistoffmoleküle. Diese Beschichtung wurde mit einem Layer-by-Layer-Verfahren (LbL) erreicht. Nach einem letzten Lösungsschritt der Schablone bleibt so der beladene maisförmige Transporter zurück.
In Zellstudien konnte das Team um Schneider zusammen mit Biopharmazeuten der Philipps-Universität Marburg um Professor Dr. Udo Bakowsky und Zellbiologen der Saar-Universität aus dem Team von Professor Dr. Thomas Tschernig den Nachweis erbringen, dass das Vehikel den „Wirkstoff“ zu den Lungenzellen bringt. Dazu beluden sie den Transporter mit DNA, die den Bauplan des Enzyms Luciferase enthielt.
Nahm die Zelle den „Nano-Mais“ mit diesem „Befehl“ auf, produzierte sie dieses Protein, das eine Biolumineszenz hervorruft. Nach erfolgreichem Transport war ein Leuchten in den Zielzellen nachweisbar. Damit der Transporter therapeutisch genutzt werden kann, muss dieser weiterentwickelt werden. Die Wissenschaftler um Schneider arbeiten derzeit daran, das Material zu optimieren.