Die Wirkstoffkombi Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil dient zur HIV-Prophylaxe (PrEP). Ziel ist es eigentlich, das Infektionsgeschehen beziehungsweise die Zahl der HIV-Neuinfektionen einzudämmen. Doch schon seit Oktober bestehen Lieferengpässe, die bis ins Frühjahr andauern können.
Für die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) werden meist zwei Wirkstoffe in einer Tablette kombiniert, Tenofovir und Emtricitabin. Unter dem Markennamen Truvada wurde die Therapie bekannt. Um das HIV-Infektionsgeschehen effektiv einzudämmen, ist die Kostenübernahme für PrEP durch die Kassen seit 2019 im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geregelt. Gesetzlich Versicherte ab 16 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion haben, darunter Partner:innen von HIV-Patient:innen, homosexuelle Männer, die Sex ohne Kondom haben/hatten, können sich die Wirkstoffkombi verschreiben lassen.
Das Problem: Schon seit Oktober bestehen Lieferengpässe. Bereits Ende November warnte Stefan Mauss, Vorstandmitglied der Vertretung ambulant tätiger HIV-Mediziner:innen (dagnä): „Uns droht ein Anstieg der HIV-Neuinfektionen.“ Besonders prekär ist, dass es in Deutschland zur Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil keine Alternative gibt, die zur PrEP zugelassen ist. Dabei sind momentan rund 32.000 Menschen auf den Schutz vor einer HIV-Infektion angewiesen.
Für die beiden Firmen Heumann und Hormosan wird als Engpassgrund ein Produktionsproblem angegeben.
„Uns droht ein Anstieg der HIV-Neuinfektionen“, so Mauss. Mehr noch: Die Wirkstoffkombination kommt nicht nur als PrEP zum Einsatz, sondern ist auch wichtiger Bestandteil der antiretroviralen Therapie von HIV-Patient:innen: „Hier können wir nur versuchen, die Therapie auf andere Medikamente umzustellen – was meist viel teurer wird und vermehrt zu Nebenwirkungen führen kann.“
„Viele Patienten sind durch die Engpässe verunsichert. Es ist regional schon dazu gekommen, dass Nutzer der HIV-Prophylaxe das Medikament überhaupt nicht mehr bekommen haben“, so ein Sprecher der Deutschen Aidshilfe. „Es ist noch nicht flächendeckend und regional unterschiedlich, aber es wird uns immer häufiger berichtet, dass Patienten die PrEP unterbrechen mussten“, sagt er. Auch Therapien von HIV-Patient:innen wurden teilweise schon auf andere Substanzen umgestellt. Dies sei nicht wünschenswert: „Wenn Patienten gut eingestellt sind, möchte man eine Arzneimittelumstellung meist vermeiden. Es können beispielsweise neue Nebenwirkungen auftreten“, so der Sprecher.
Momentan sei es schwierig vorherzusagen, wie lange die Versorgung kritisch bleibe: „Wenn Ratiopharm als Hersteller mit dem größten Marktanteil in Deutschland wieder liefern kann, entspannt sich die Lage hoffentlich“, so der Sprecher. Menschen, die momentan Schwierigkeiten haben, die Medikamente zu bekommen, rät er: „Wenn man sich an die auf HIV-spezialisierten Apotheken wendet, hat man bessere Chancen, versorgt zu werden. Diese Apotheken kooperieren und helfen sich gegenseitig. Ansonsten sollte die weitere Verfahrensweise natürlich mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden“, so der Sprecher.
Ein weiterer Aspekt:„Um Medikamente zu sparen, kann eine Umstellung von der täglichen Einnahme auf eine anlassbezogene Einnahme in Erwägung gezogen werden, sofern HIV-Risiken absehbar und zeitlich eingrenzbar sind.“
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