Wirkstoff-Check Analgetika

Ibuprofen: Liebling mit Risiken Christian Redmann, 14.07.2016 13:37 Uhr

Berlin - 

Ibuprofen gehört laut IMS Health zu den am häufigsten abgegeben Arzneimitteln. Die antiinflammatorischen, analgetischen und antipyretischen Eigenschaften sowie die verschiedenen Dosierungen und Darreichungsformen machen den Wirkstoff zu einem breit einsetzbaren Analgetikum und Antipyretikum. Aus diesem Grund, aber auch weil ein Dauergebrauch nicht ohne Risiken ist, lohnt sich ein Blick auf diesen OTC-Liebling.

Archivbeitrag vom 14. Juli 2016

Pharmakologie und Wirkmechanismus. Wie Acetylsalicylsäure inhibiert Ibuprofen im Arachidonsäurezyklus unselektiv das Enzym Cyclooxygenase (COX) und in Folge die Bildung von Serie-2-Prostaglandinen als Entzündungsmediatoren. Darüber hinaus verfügt das Arylpropionsäurederivat über thrombozytenhemmende Eigenschaften; die gleichzeitige Anwendung mit Acetylsalicylsäure ist daher nicht unproblematisch und wird entsprechend im Allgemeinen nicht mehr empfohlen.[1]

Chemisch stellt Ibuprofen ein Racemat aus dem Eutomer (S)-(+)-Ibuprofen (Dexibuprofen) und dem wirkungslosen Distomer (R)-(−)-Ibuprofen dar. Im Körper wird das Distomer durch eine Isomerase in das Eutomer umgebaut.[2]

Metabolisiert wird hepatisch oxidativ primär über CYP2C9, wobei je nach Enantionmer eine Abbaupräferenz herrscht: S-Ibuprofen wird via CYP2C9, R-Ibuprofen via CYP2C8 verstoffwechselt.[3] Eine klinische Relevanz oder Auswirkungen auf die Therapie hat diese Besonderheit allerdings vermutlich nicht. Bei höheren Dosierungen wird Ibuprofen auch via CYP3A4, CYP2C8, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1 und CYP2B6 abgebaut.[4] Die Ausscheidung der Metabolite erfolgt zu zwei Dritteln renal über den Urin, zu einem Drittel über die Leber.

Dosierung, Einnahme und Dauer. Bei der Dosierung spielen Alter, Gewicht, zugrunde liegende Erkrankung sowie die Funktionalität der metabolisierenden und ausscheidenden Organe eine wichtige Rolle. Gerade bei Patienten in fortgeschrittenem Alter oder mit bekannten chronischen Erkrankungen können Dosisanpassungen nötig werden oder das Arzneimittel per se ungeeignet sein.

Die Standarddosierungen zur Behandlung von leichten bis mittelstarken Schmerzen, die der in der Praxis den Hauptgrund einer Abgabe darstellen, sind nachfolgend tabellarisch dargestellt. In der Regel wird Ibuprofen bei Kindern und Jugendlichen nach dem Gewicht mit 7 bis 10 mg/kg Körpergewicht dosiert.[5] Dies erleichtert unter anderem die Berechnung der notwendigen Dosen bei Kindern unter sechs Jahren, für die Zubereitungen als Suppositorien oder als Saft auf dem Markt verfügbar sind.

Detaillierte Aufstellungen der Dosierung bei diagnostizierten Beschwerden, die über die unspezifische Symptomatik „leichter bis mittelstarker Schmerz“ hinausgehen, können in den Leitlinien beispielsweise zur rheumatoiden Arthritis oder Osteoarthritis nachgelesen werden.

Ibuprofen ist in der Selbstmedikation für einen Zeitraum von drei Tagen bei Kindern und für vier Tage bei Erwachsenen zugelassen – sollten die Schmerzen, das Fieber oder die Entzündung innerhalb dieser Zeit nicht spürbar besser werden, so ist ein Gang zum Arzt anzuraten.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Ibuprofen und Acetylsalicylsäure zur Sekundärprophylaxe vorübergehend parallel eingenommen werden. In solchen Fällen gilt es, Wechselwirkungen bezüglich der Thrombozytenhemmung zu umgehen. A vor I, lautet die Devise: ASS wird mit einem zeitlichen Abstand von 30 Minuten vor Ibuprofen eingenommen. Umgekehrt ist aufgrund der sterischen Abschirmung des Wirkorts durch ASS ein mindestens zweistündige Zeitdifferenz erforderlich.[6]

Im Beratungsgespräch. Prinzipiell ist bei der Beratung zu Ibuprofen auf die möglichen gastrointestinalen Nebenwirkungen aufmerksam zu machen. Da neben COX-2 auch COX-1 gehemmt wird, die für die Ausbildung der Magenschleimhaut verantwortlich ist, kommt es häufig bis sehr häufig zur verminderten Schleimhautbildung von. Magen-Darm-Blutungen, kausale Erosionen der ungeschützten Magenwand durch Magensäure oder Magengeschwüre sind bei Dauergebrauch beobachtet worden.[7]

Hier empfiehlt sich eingehende Befragung des Patienten, ob es sich – bei ärztlichen Verordnungen – um eine Erst- oder Folgeverordnung handelt, wie das Präparat vertragen wird und ob ein Protonenpumpeninhibitor eingenommen wird. Die Einnahme selbst soll nach dem Essen stattfinden und nicht auf nüchternen Magen.

Patienten mit schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen dürfen Ibuprofen nicht einnehmen. Hier besteht die Gefahr eines akuten Nierenversagens, da der renale Blutfluss vom Vorhandensein renaler Prostaglandine abhängig ist. Sollte eine Therapie trotz organischer Einschränkung unumgänglich sein, so sind regelmäßige Kontrollen von Leber, Nierenfunktion und Blutbild notwendig.[8]

Das kardiovaskuläre Risiko bei Einnahme von Ibuprofen ist gering, aber dennoch vorhanden. Verglichen mit anderen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) erweist sich Ibuprofen diesbezüglich als günstige Alternative.[9]

Zusatzempfehlungen. Die breiten Einsatzmöglichkeiten von Ibuprofen machen es schwer, gezielt Zusatzempfehlungen auszusprechen. Bei Rückenschmerzen ist die Anwendung von Wärme in Form von Kirschkernkissen oder wärmenden Pflastern leidenslindernd.

Homöopathisch gesehen kommen unter den richtigen Symptomatiken Rhus tox. oder Bryonia in Frage.

Wird Ibuprofen aufgrund von Kopfschmerzen im Rahmen einer Erkältung eingenommen, so helfen schleimlösende oder die oberen Atemwege befreiende Arzneimittel, die Ursache der Kopfschmerzen – verstopfte Stirn- oder Nasennebenhöhlen – zu beheben. Eine Nasendusche kann hier schonend Abhilfe schaffen.

Quellen:

[1] APOTHEKE ADHOC: EMA: Kein Risiko bei OTC-Ibuprofen. APOTHEKE ADHOC 13.04.2015.

[2] I. Neunzig et al.: Production and NMR analysis of the human ibuprofen metabolite 3-hydroxyibuprofen. Journal of biotechnology (2012).

[3] MA Hamman et al.: Regioselective and stereoselective metabolism of ibuprofen by human cytochrome P450 2C. Biochemical pharmacology (1997).

[4] C. Shu-Ying et al.: Confirmation that cytochrome P450 2C8 (CYP2C8) plays a minor role in (S)-(+)- and (R)-(-)-ibuprofen hydroxylation in vitro (2008).

[5] Monografie ABDA-Datenbank Dolormin extra, Stand 10/2015.

[6] Arzneimittelprofile für die Kitteltasche

[7] Arzneimitteltelegramm 08/13: Neue Daten zum kardiovaskulären und gastrointestinalen Risiko von NSAR.

[8] www.dosing.de Ibuprofen

[9] Ergebnis des Pharmacovigilance Risk Assessment Comittee (PRAC): 7 – 10. April 2015.