Auswirkungen auf die Bioverfügbarkeit

Wie Darmbakterien die Wirksamkeit beeinflussen

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Berlin -

Das Mikrobiom rückt immer mehr in den gesundheitlichen Fokus. Auch auf die Arzneimitteltherapie könnten die winzigen Bewohner großen Einfluss haben: Forscher:innen aus Heidelberg konnten nachweisen, dass sich einige Wirkstoffe in den Darmbakterien anreichern, wodurch sich die Bioverfügbarkeit verändern kann. Für künftige Therapieansätze könnte dies ein wichtiger Hinweis sein.

Bislang gingen Wissenschaftler:innen davon aus, dass Darmbakterien lediglich durch Metabolisierung und Biotransformation die Resorption von Medikamenten beeinflussen können. Nun ging ein Team des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg jedoch noch einen Schritt weiter: Das Team stellte fest, dass sich verschiedene Wirkstoffe in den Bakterien anreichern können. Durch die Akkumulation kann die Bioverfügbarkeit also um einen weiteren Faktor verändert werden.

Die Resorption eines Arzneistoffs ist essenziell für seine Wirkung. Bei der Herstellung von Darreichungsformen wird daher besonderes Augenmerk auf die Anforderungen der Substanz und deren Freisetzung gelegt. Im Darm leben jedoch Milliarden von Bakterien, die das Mikrobiom bilden und die Aufnahme beeinflussen können. Dadurch kann beispielsweise erklärt werden, warum manche Wirkstoffe nicht bei allen Patient:innen wirken, ebenso wie die individuelle Entstehung von Nebenwirkungen.

Neue Wechselwirkungen entdeckt

Bisher ist nicht allzu viel über den Einfluss des Mikrobioms auf die Bioverfügbarkeit bekannt. Das Team aus Heidelberg hat sich daher des Themas angenommen und die Auswirkungen von 25 geläufigen Darmbakterien auf 15 wichtige Arzneistoffe untersucht: Unter den 375 Kombinationen fanden sie 70 Wechselwirkungen – 29 von ihnen waren bis dato nicht bekannt.

Viele Interaktionen beruhten darauf, dass es durch die Bakterien zu einer Metabolisierung kam. Dadurch wird der Wirkstoff in seinen Eigenschaften verändert, wodurch auch die Resorption beeinflusst wird. Allerdings stellte das Team auch fest, dass sich einige der Wirkstoffe in den Bakterien anreicherten: Dies war bei 17 der 29 neu entdeckten Wechselwirkungen der Fall. „Als ich die Bakterien nach dem Test aus der Flüssigkeit entfernt hatte und die Flüssigkeit genauer untersuchte, war die enthaltene Wirkstoffmenge viel kleiner als die ursprünglich zugesetzte Menge. Zugleich waren aber keine Produkte zu finden, die bei einer Verstoffwechselung des Wirkstoffs durch die Bakterien hätten vorhanden sein müssen", erklärt Martina Klünemann vom EMBL gegenüber der „Welt“.

Medikamente verändern das Mikrobiom

Manche Wirkstoffe reicherten sich lediglich an – beispielsweise Duloxetin und Rosiglitazon. Andere wurden zudem noch metabolisiert, wodurch die Veränderungen auf die Bioverfügbarkeit noch größer waren, darunter Montelukast und Roflumilast. Durch die Akkumulation könne der Stoffwechsel der Bakterien verändert werden, wodurch es zu Auswirkungen auf deren Ausscheidungsprodukte kommt. Dadurch wird wiederrum das Wachstum von anderen im Darm befindlichen Bakterien beeinflusst – letztlich könne so durch ein Medikament das gesamte Mikrobiom verändert werden. Dies konnte vom Team beispielsweise bei Duloxetin beobachtet werden: „Eines der getesteten Bakterien, das Streptococcus salivarius, scheidet mehr Stoffwechselprodukte aus, wenn es Duloxetin bioakkumuliert. Diese Stoffwechselprodukte führen dann in der Folge zu verstärktem Wachstum von anderen Darmbakterien wie Eubacterium rectale."

Auswirkungen bei Metformin und Statinen bekannt

Das Zusammenspiel zwischen Arzneistoffen und Darmbakterien scheint also komplexer zu sein als bislang angenommen. „Außer Frage steht bereits jetzt, dass die Wechselwirkung von Medikamentenwirkstoffen und Darmbakterien für den Menschen sehr wichtig sind“, meint Lisa Maier vom Forschungsteam. Ein bekanntes Beispiel ist das Antidiabetikum Metformin: Die Einnahme führt dazu, dass bestimmte Bakterien die Substanz Agmatin produzieren – sie verbessert die Insulinresistenz und steigert die Insulinproduktion. Ähnlich sieht es bei einer Statin-Therapie aus: Statine fördern das Wachstum bestimmter Darmbakterien, welche vermehrt Gallensäuren abbauen. Zum Ausgleich erhöht die Leber schließlich ihre Gallensäurenproduktion – dabei wird das „schlechte“ LDL-Cholesterin aus dem Blut verbraucht.

Andersherum kann der Einfluss der Darmbakterien jedoch auch negativ sein: Beim Wirkstoff Levodopa wird die Wirkung durch ein bestimmtes Bakterium stark abgeschwächt, sodass nur geringe Mengen das Gehirn erreichen und in das für die Parkinson-Erkrankung wichtige Dopamin umgewandelt werden können. Auch auf Krebstherapien kann das Mikrobiom Einfluss nehmen. Man müsse die Wahl der Therapie im Idealfall auf das Mikrobiom des Patienten abstimmen, um eine möglichst hohe Wirksamkeit eines Medikamentes bei zugleich weniger Nebenwirkungen für den Patienten zu erzielen, erklärt Darmmikrobiom-Forscher und Systembiologe Christoph Kaleta. Die Forschung in diesem Bereich könnte sich in Zukunft auf Arzneimitteltherapien auswirken und das volle Potenzial ausschöpfen.

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