Wenn Bluthochdruck auf die Psyche geht Sandra Piontek, 18.04.2023 12:57 Uhr
Das Herz-Kreislauf-System und die Psyche stehen in einer komplexen Wechselwirkung. Das belegt eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften. Es konnten Zusammenhänge zwischen höherem Blutdruck und depressiven Symptomen belegt werden. Welche neuen Ansätze kann es für Therapie und Prävention geben?
Die Erhebung des MPI in Leipzig zeigt deutliche Zusammenhänge zwischen Bluthochdruck und psychischen Verstimmungen sowie dem Wohlbefinden und emotionsbezogener Hirnaktivität. Diese könnten für die Entwicklung von Bluthochdruck relevant sein. Auch in früheren Studien wurden Hinweise auf Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und Bluthochdruck gefunden, jedoch waren die Ergebnisse zum Teil gemischt oder sogar widersprüchlich.
Überraschende Ergebnisse
Die Forscher:innen vom MPI haben in ihrer Studie die Beziehung zwischen psychischer Gesundheit, höherem Blutdruck und Bluthochdruck untersucht. Die Daten stammten hierbei von durchschnittlich 60-jährigen Proband:innen: Analysiert wurden psychologische, medizinische und bildgebende Aspekte. „Um statistisch belastbare Antworten zu erhalten, nutzten wir den extrem großen Stichprobenumfang der UK Biobank mit über 500.000 Studienteilnehmer:innen. Wir konnten zeigen, dass ein höherer Blutdruck mit weniger depressiven Symptomen, größerem Wohlbefinden und geringerer emotionsbezogener Gehirnaktivität verbunden ist – was zunächst überrascht, aber durch unsere weiteren Ergebnisse erklärt werden kann“, so Lina Schaare, Erstautorin der Studie.
Höherer Blutdruck bevorzugt
Ein drohender Bluthochdruck hängt nämlich auch mit einer schlechteren psychischen Gesundheit zusammen – und das schon Jahre bevor die Hypertonie diagnostiziert wird. „In der Klinik beobachten wir, dass die Betroffenen sich häufig müde und abgeschlagen fühlen und dann ihre Medikamente gegen den höheren Blutdruck nicht nehmen, weil das zusätzlich auf die Stimmung schlägt“, so Arno Villringer, der die Abteilung Neurologie am MPI leitet und auch Autor der Studie ist. Die Forschenden schlussfolgern, dass Patientinnen und Patienten, die sich mit vorübergehend hohem Blutdruck mental besser fühlen als mit niedrigerem Blutdruck, schließlich den höheren Blutdruck bevorzugen.
Neue Ansätze für Therapie
Durch das sogenannte Verstärkungslernen werde dann die Entwicklung von dauerhaftem Bluthochdruck begünstigt, sagt Villringer: „Denn bei höherem Blutdruck steigt auch die Schmerzschwelle.“ Das gelte nicht nur für körperlichen, sondern auch sozialen Schmerz oder größeren Stress. Betroffene halten den Schmerz oder Stress also aus und werden dann zehn Jahre später mit einer Hypertonie diagnostiziert, so Villringer.
Die Forscher:innen sind sicher, dass für die Volkskrankheiten Depression und Bluthochdruck solch ein Perspektivenwechsel neue Ansätze für Therapie und Prävention ermöglichen. In den Vordergrund sollte dabei die Wechselwirkung von psychischer und physischer Gesundheit gestellt werden.