ADHS-Medikamente

Weniger Methylphenidat, mehr Lisdexamfetamin

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Berlin -

Die Anzahl der Patienten unter 20 Jahren, die mit Medikamenten gegen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) behandelt werden, ist laut Insight Health von 2013 auf 2015 um 15 Prozent gesunken. Der Wirkstoff insgesamt büßte um 5 Prozent ein; die Variante für Erwachsene entwickelte sich zunächst erfolgreich, hat aber zuletzt ebenfalls verloren.

Methylphenidat ist Standardtherapie für die Behandlung von ADHS; 88 Prozent der Verordnungen im ersten Halbjahr entfallen laut Insight Health auf diesen mittlerweile generischen Wirkstoff. Von den 52 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) entfallen laut Arzneiverordnungsreport 10 Millionen auf die Produkte für Erwachsene. Seit Medice 2011 „Medikinet adult“ auf den Markt gebracht hat, ist der Wirkstoff auch für Patienten über 18 Jahren zugelassen und erstattungsfähig. In den Jahren zuvor zahlten sie das Medikament selbst, da es off-label eingesetzt wurde. Allerdings scheint Potenzial ausgereizt zu sein: Im ersten Halbjahr waren die Verordnungszahlen um 7 Prozent rückläufig.

Methylphenidat gehört zu den Phenethylaminen und ist ein indirektes Symphatomimetikum mit zentraler Wirkung. Der Wirkstoff erhöht die Konzentration der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin durch eine Wiederaufnahmehemmung. Methylphenidat unterdrückt Müdigkeit, wirkt anregend und leistungssteigernd. Bei aufgeregten und zappeligen Kindern weist das Gehirn eine geringe Aktivität auf, Methylphenidat hebt anstelle der ständigen Ablenkungen das innere Aktivitätsniveau auf ein Normalniveau an.

Seit der Zulassung von Elvanse (Shire) im Jahr 2013 steigt der Anteil von Lisdexamfetamin: Alleine 2015 legte die Zahl der DDD laut Arzneiverordnungsreport um 58 Prozent auf 6,8 Millionen zu. Damit hängte das Shire-Produkt Strattera (Atomoxetin, Lilly) ab (2,2 Millionen DDD). Schlusslicht mit weniger als 1 Prozent der Verordnungen ist Attentin (Dexamfetamin, Medice), das zur Therapie einer schwer zu behandelnden ADHS bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt wird.

Lisdexamphetamin gehört zur Gruppe der Amphetamine und hat eine stimulierende Wirkung, ähnlich wie langsam freisetzendes Methylphenidat – bei doppeltem Preis. Der Wirkstoff ist ein Prodrug und wird erst nach seiner Resorption im Magen-Darm-Trakt in seine Wirkform Dexamphetamin umgewandelt. Lisdexamphetamin ist ab sechs Jahren zugelassen und kommt zum Einsatz, wenn eine Therapie mit Methylphenidat nicht erfolgreich war.

Atomoxetin, ursprünglich für die Behandlung von Depressionen entwickelt, ist der einzige Wirkstoff der Reihe, der nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Grund: der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer hat kein Abhängigkeitspotential. Atomoxetin ist für die Behandlung von ADHS relevant, da es den NMDA-Rezeptor blockiere. Der Rezeptor steuert, nicht selektiv, den Ionenfluss für Kationen an der nachgeschalteten Nervenzelle der Synapse.

Medikamente zur ADHS-Behandlung dürfen seit 2009 nur noch vom Spezialisten verordnet werden. Im ersten Halbjahr 2016 wurde fast die Hälfte der GKV-Verordnungen von Neurologen ausgestellt. Gut ein Viertel der Verordnungen kam von Kinderärzten. Kliniken und Institute liegen mit knapp 15 Prozent an dritter Stelle. Insight Health meldet auch regionale Unterschiede in der Verordnung. In den neuen Bundesländern werden deutlich weniger Medikamente zur ADHS-Therapie für GKV-Versicherte unter 20 Jahren verordnet als in den alten Bundesländern.

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