Weltlepratag

Kampf gegen Lepra dauert an

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Würzburg -

Innehalten, abwenden, die Kinder weiterziehen – die Reaktionen auf das schlichte Plakat könnten unterschiedlicher nicht sein. Gerade zeigt die Hand nach oben, Zeige- und Mittelfinger sind ausgestreckt. Dem Ringfinger fehlt ein Glied, der kleine und der Daumen fehlen ganz. „Lepra lebt“ steht in großen Buchstaben darüber. Lepra lebt?

„Lepra gehört wohl zu den am meisten unterschätzten Krankheiten der Welt“, sagt Sprecher Jochen Hövekenmeier von der Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW), die die Plakate regelmäßig in mehreren deutschen Städten aufhängt. Von der Öffentlichkeit wird die Krankheit kaum noch wahrgenommen, die Weltgesundheitsorganisation WHO betrachtet sie seit 2000 nicht mehr als Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit.

Doch diese „Eliminierung“ zeichnet ein verzerrtes Bild – 2015 steckten sich offiziellen Zahlen zufolge noch immer etwa 211.000 Menschen an, Hilfsorganisationen rechnen mit bis zu 250.000 Menschen. Fast die Hälfte davon stammt aus Indien, etwa 27.000 aus Brasilien, mehr als 4000 aus dem Kongo. Am Sonntag soll der Weltlepratag an diese Menschen erinnern.

Dabei ist die Krankheit schon seit den 1980er-Jahren behandelbar. Bei der Multidrug-Therapie nehmen Patienten sechs bis zwölf Monate lang eine Kombination aus drei Antibiotika ein. So konnten laut WHO 16 Millionen Menschen geheilt werden. Die Behandlung kostet DAHW-Angaben zufolge im Durchschnitt lediglich 50 Euro, Erkrankte sind ab der ersten Einnahme nicht mehr ansteckend und gesunden vollständig.

Das Problem für die Hilfsorganisationen: Lepra hat eine Inkubationszeit von durchschnittlich vier bis sechs Jahren, viele Patienten leben in Ländern mit schlechter Versorgung und lassen die Krankheit zu spät behandeln. Sie beginnt meist mit sichtbaren Flecken auf der Haut, Nerven sterben ab, Betroffene verlieren das Gefühl. Viele verletzen sich unbemerkt, infizieren sich mit gefährlichen Krankheiten oder bekommen Entzündungen. Nach Angaben des DAHW hat jeder zehnte Patient sichtbare körperliche Schäden.

Auch deshalb forschen Wissenschaftler und Hilfsorganisation an einer Prophylaxe. Vielversprechend scheint laut Hövekenmeier die Einnahme eines Antibiotikums zu sein. So sollen enge Bezugspersonen eines Erkrankten gegen Lepra geschützt werden. Erste Ergebnisse einer Studie in Tansania seien bis 2018 zu erwarten.

Die Lepra wird über Tröpfchen übertragen, wie das genau funktioniert, ist allerdings noch immer kaum erforscht. Klar ist aber: Familienangehörige haben ein achtmal höheres Ansteckungsrisiko, bei Nachbarn ist es viermal höher. Gerade für sie wäre eine Prophylaxe wichtig.

Vor Herausforderungen stellt die Helfer zudem das Bild der Lepra. Über Jahrhunderte wurden Betroffene gemieden. Auch heute stehen viele Erkrankte vor dem gesellschaftlichen Aus. Hövekenmeier hat das in Liberia schon selbst erlebt. Der Rat eines Dorfes entschloss kurzerhand, einen Lepra-Kranken des Ortes zu verweisen. Interventionen der Helfer blieben zunächst erfolglos. „Wir sind dann mit dem ganzen Team hingegangen und haben diesen Menschen in den Arm genommen“, erzählt Hövekenmeier. Ein wichtiges Signal für das Dorf: „Er lebt heute noch da.“

Aus Europa ist die Krankheit hingegen weitgehend verschwunden. Zwischen 2000 und 2015 meldeten Behörden in Deutschland laut Gesundheitsministerium jährlich null bis fünf Fälle. International bekannt ist nur mehr ein Krankenhaus im spanischen Fontilles, in dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts Lepra-Kranke stationär behandelt wurden. Noch heute leben dort nach Klinikangaben dauerhaft etwa 30 ehemals kranke Menschen, rund 25 Lepra-Patienten werden ambulant behandelt.

Ein Wiedererstarken der Krankheit durch Globalisierung und Flüchtlingsströme ist laut Hövekenmeier wegen der eingeschränkten Übertragungswege unwahrscheinlich: „Lepra ist eine sehr ländliche Krankheit.“ Die Ziele der WHO für die kommenden Jahre hält er allerdings für ebenso unrealistisch. Die Weltgesundheitsorganisation legte im vergangenen Herbst eine Strategie zur Bekämpfung der Lepra vor. Demnach soll es 2020 keine Neuinfektionen von Kindern und keine Behinderungen aufgrund der Krankheit geben, auch die Stigmatisierung Erkrankter soll beendet sein. „Das wäre realistisch, wenn die Lepraarbeit das entsprechende Budget dafür bekäme“, sagt Hövekenmeier. Jeder Mensch in den betroffenen Gebieten müsse einmal jährlich untersucht werden. Lepra lebt vorerst weiter.

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