Weihrauch: Entzündungshemmende Wirkung entschlüsselt Cynthia Möthrath, 18.06.2020 11:23 Uhr
Die Phytotherapie gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Beratung. Eine Substanz ist in den vergangenen Jahren besonders in den Fokus gerückt: Weihrauch (lat. Boswellia serrata) werden entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt, die bei verschiedensten Krankheitsbildern zum Einsatz kommen. Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben sich nun genauer mit dem Wirkmechanismus auseinandergesetzt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Chemical Biology“ vorgestellt.
Gemeinsam mit der Louisiana State University aus den USA hat das Team der Uni Jena den molekularen Mechanismus der entzündungshemmenden Wirkung von Weihrauch aufgeklärt. Verantwortlich sind ein im Harz enthaltener Naturstoff und das Enzym 5-Lipoxygenase. Eigentlich ist das Enzym an entzündungsfördernden Prozessen beteiligt, durch den enthaltenen Naturstoff wird es jedoch zu einem entzündungshemmenden Protein „umprogrammiert“.
Wirkmechanismus erstmals aufgedeckt
Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich das Team mit dem Weihrauch und seiner Wirkung. Nun ist es erstmals gelungen, die molekulare Wirkweise aufzudecken und zu erklären. „Das aus dem Stamm des Weihrauchbaumes gewonnene Harz enthält entzündungshemmende Substanzen, die es unter anderem für die Therapie von Krankheiten wie Asthma, Rheumatoider Arthritis oder Neurodermitis geeignet machen“, erläutert Professor Dr. Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Das Enzym 5-Lipooxygenase spiele eine Schlüsselrolle bei der Wirkung: „Seit mehr als 40 Jahren weiß man, dass dieses Enzym die Bildung von Leukotrienen fördert, einer wichtigen Gruppe von Entzündungsbotenstoffen im menschlichen Körper“, erläutert Werz. Er und sein Team konnten nun erstmals die Kristallstruktur des Enzyms abbilden: Dadurch können weitere detaillierte Untersuchungen – unter anderem in Bezug auf Wechselwirkungen mit verschiedenen Wirkstoffen – erfolgen. Die neuen Erkenntnisse können zudem an verschiedenen Krankheitsmodellen getestet werden. Außerdem könnten neuartige Entzündungshemmer mit dem Wissen entwickelt werden.
Boswelliasäuren verändern Enzym-Struktur
Die Forscher haben neben dem bereits bekannten synthetischen Entzündungshemmer Zileuton auch andere Wirkstoffe mit dem Enzym kombiniert und die daraus resultierenden Kristallstrukturen der Molekülkomplexe analysiert. Dabei stellten sie fest, dass die im Weihrauch enthaltene Boswelliasäure an einer anderen Stelle am Enzym andockt als Zileuton und verschiedene andere Naturstoffe. „Durch diese Bindung kommt es jedoch zu strukturellen Veränderungen im aktiven Zentrum, was die Enzymaktivität ebenfalls hemmt“, erklärt Werz.
Die Boswelliasäuren lösen damit bereits eine Strukturveränderung aus, welche zu einem entzündungshemmenden Effekt führt. „Der Einfluss von Boswelliasäure geht aber noch deutlich darüber hinaus“, erklärt Dr. Jana Gerstmeier, eine der beiden Hauptautoren der Studie. „Durch die Bindung kommt ein Domino-Effekt zustande, wodurch sich zusätzlich die Spezifität des Enzyms verändert“, erläutert Gerstmeier weiter. Unter dem Einfluss von Boswelliasäure produziere die 5-Lipoxygenase entzündungsauflösende Substanzen und nicht – wie normalerweise – entzündungsfördernde Leukotriene. „Das heißt, vereinfacht gesagt, der Weihrauchinhaltsstoff programmiert das Entzündungsenzym zu einem entzündungsauflösenden Enzym um.“
Weihrauch in Medizin und Kosmetik
Weihrauch findet mittlerweile Anwendung bei zahlreichen entzündlichen Krankheiten, darunter bei Hauterkrankungen wie Psoriasis, aber auch bei Asthma, Rheuma oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Vor zwei Jahren konnte eine Studie zudem bereits erste Hinweise auf positive Effekte bei Multipler Sklerose (MS) zeigen: Weichkapseln mit standardisiertem Weihrauchextrakt konnten die entzündliche Krankheitsaktivität der schubförmigen MS in der Magnetresonanztomographie (MRT) signifikant senken.
Indischer Weihrauch wird im Europäischen Arzneibuch zwar zur Behandlung von Rheumatoider Arthritis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa anerkannt. In Deutschland sind weihrauchhaltige Präparate jedoch nur als Nahrungsergänzungsmittel und nicht als Arzneimittel zugelassen. Auch in der Kosmetik wird Weihrauch bereits verwendet: Die entzündungshemmenden Effekte kommen beispielsweise bei trockener Haut und Ekzemen zum Einsatz.