Erfolg für Reckitt Benckiser: Der Bundesrat hat transdermale therapeutische Systeme (TTS) mit dem Wirkstoff Ibuprofen aus der Verschreibungspflicht entlassen. Ibuprofen zum Kleben könnte bald den Markt erobern.
Der britische Konzumgüterkonzern hat sein Ibuprofen-Portfolio unter der Dachmarke Nurofen im Handel. Saft, Zäpfchen, Film- und Schmelztabletten sowie seit wenigen Tagen Kaudragees zählen zum rezeptfreien Sortiment. Der Hersteller hatte die Entlassung des nicht-steroidalen-Antirheumatikums (NSAR) aus der Verschreibungspflicht für die Anwendung als transdermales System (TTS) beantragt. Im Januar folgte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht dem Antrag, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) legte eine entsprechende Verordnung vor, die jetzt vom Bundesrat angenommen wurde.
Der Hersteller beantragte, die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) dahingehend zu ändern, dass Ibuprofen auch rezeptfrei ist „zur transdermalen Anwendung als Pflaster ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Konzentration bis zu 200 mg Ibuprofen je abgeteilter Arzneiform“. Ein entsprechendes Produkt hatte RB in der Pipeline.
Die jetzt beschlossene Fassung sieht die Freigabe von Ibuprofen „zum äußeren Gebrauch einschließlich Pflaster in einer Konzentration bis zu 6 Gewichtsprozenten“. Das BMG folgte damit dem Vorschlag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Angesichts der Beladungsmenge läuft es aber auf dasselbe hinaus. Bislang war Ibuprofen „zum äußeren Gebrauch in einer Konzentration bis zu 5 Gewichtsprozenten“ von der Verschreibungspflicht ausgenommen.
Ibuprofen-haltige Pflaster könnten demnächst nicht nur den halbfesten Zubereitungen zum äußeren Gebrauch Konkurrenz machen, sondern auch den Diclofenac-haltigen Pflastern. Voltaren (GSK), Flector (Huamantis) und Ratiopharm sind mit entsprechenden Produkten am Markt. Die Pflaster können zur lokalen und symptomatischen Kurzzeitbehandlung von Schmerzen, Zerrungen, Verstauchungen oder Prellungen im Bereich der Extremitäten ab 16 Jahren eingesetzt werden. Die Therapiedauer sollte sieben Tage nicht überschreiten.
Die Herstellung eines Ibuprofen-Pflasters stellte Entwickler bereits 2015 vor große Herausforderungen. Gebräuchliche Materialien verloren bei hoher Wirkstoffbeladung ihre Adhäsivkraft auf der Haut. Außerdem sollte das neue TTS so konzipiert sein, dass konstante Dosen des Wirkstoffes abgegeben werden. Forscher entwickelten eine Polymermatrix, die es ermöglicht, dass der Wirkstoff bis zu 30 Prozent der Gesamtmasse des Pflasters ausmachen kann. Dennoch eignet sich die Entwicklung nur bedingt für die Behandlung akuter Schmerzen, da pro Stunde maximal 100 mg Ibuprofen freigesetzt werden. Vorteile boten jedoch die konstante Wirstofffreisetzung über mehrere Stunden und die Klebekraft über zwölf Stunden. Mithilfe des Produktes können laut Aussagen der Entwicklungsfirma Medherant etwa fünf- bis zehnmal höhere Dosen als durch Auftragen eines Gels verabreicht werden.
Ibuprofen ist derzeit in verschiedenen Varianten rezeptfrei: Bei oralen Formen zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber kann eine Einzeldosis von bis zu 400 mg bei einer Tagesdosis von 1200 mg für die Selbstmedikation angeboten werden. Dieselbe Grenze gilt für den Einsatz bei Migräne. Als Zäpfchen können Präparate in beiden Indikationen 600 mg als Einzeldosis und 1800 mg als Tagesdosis vorgeben, entsprechend 10 beziehungsweise 30 mg/kg Körpergewicht.
Außerdem können flüssige Zubereitungen zur Anwendung bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber für Erwachsene und Kinder ab sechs Monaten in Einzeldosen bis zu 10 mg/kg Körpergewicht und einer maximalen Tagesdosis von 1200 mg rezeptfrei abgegeben werden.
Jüngster Zugang im Nurofen-Portfolio ist eine orangefarbene, quadratische Weichkapsel aus Gelatine zum Zerbeißen. Das Arzneimittel kann bei Kindern ab 20 kg, entsprechend einem Alter von sieben Jahren, bis 40 kg und zwölf Jahren angewendet werden. Zugelassen sind die Kaudragees zur kurzzeitigen, symptomatischen Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen. Dazu können Zahn- und Kopfschmerzen zählen. Ebenso indiziert ist das Ibuprofen-haltige Arzneimittel zur Behandlung von Fieber und Schmerzen im Zusammenhang mit einer Erkältung.
Dosiert wird nach Körpergewicht. Kinder erhalten in der Regel 5 bis 10 mg/kg KG als Einzeldosis. Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren und einem Gewicht zwischen 20 und 29 kg erhalten dementsprechend bis zu zweimal täglich ein bis zwei Kaudragees Nurofen Orange à 100 mg. Die Tageshöchstdosis beträgt 600 mg Ibuprofen, entsprechend sechs Weichkapseln zum Zerbeißen oder 20 bis 30 mg/kg KG. Bei Bedarf kann im Abstand von sechs bis acht Stunden eine Gabe erfolgen, dabei beträgt der Mindestabstand zwischen den Einzelgaben sechs Stunden.
Demnächst könnte auch eine Kombination von Ibuprofen und Coffein zur oralen Anwendung bei akuten mäßig starken Schmerzen bei Erwachsenen auf den Markt kommen. Im Januar wurde der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht noch abgelehnt, im Juni sprach sich der Ausschuss mehrheitlich für einen OTC-Switch aus. Die maximale Einzeldosis soll bei 400 mg Ibuprofen und 100 mg Coffein liegen, die Tagesdosis auf 1200 beziehungsweise 300 mg gedeckelt werden. Antragsteller ist Sanofi, der neue Eigentümer der OTC-Sparte von Boehringer Ingelheim. Hier liegt noch keine Verordnung vor.
APOTHEKE ADHOC Debatte