Warnhinweise: Medice bleibt gelassen Nadine Tröbitscher, 01.02.2018 14:56 Uhr
Neue Produktinformationen für Saccharomyces boulardii: Wegen gefährlicher Fungiämien wurden per Rote-Hand-Brief neue Vorgaben verkündet. Für Perenterol bedeutet dies nur einige geringfügige Änderungen im Wortlaut.
In den EU-Mitgliedstaaten sind unterschiedliche Gegenanzeigen und Warnhinweise zu Präparaten mit Saccharomyes boulardii vorgeschrieben. Während in Deutschland für immungeschwächte Patienten sowie Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen bereits eine Gegenanzeige bestand, fehlten diese Hinweise in anderen europäischen Ländern. Im Zuge der Harmonisierung sollen nun europaweit die Fach- und Gebrauchsinformationen einen einheitlichen Wortlaut verwenden. Initiiert wird dieses Vorgehen vom Ausschuss für Risikobewertung und Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Für Perenterol (Medice) sind die Gegenanzeigen bereits Bestandteil der aktuellen Fachinformationen und somit ein alter Hut. „Patienten mit lebensbedrohlicher Erkrankung werden seit 2011 von einer Behandlung mit Perenterol ausgeschlossen“, so der Hersteller auf Nachfrage. Noch weiter reiche die Einschränkung für Patienten mit geschwächter Immunabwehr oder liegendem Zentralvenenkatheter zurück – diese „dürfen bereits seit mehr als zehn Jahren nicht mit Perenterol behandelt werden“.
Die Produktinformationen werden daher nur in Nuancen angepasst, die sich auf den genauen Wortlaut beziehen. Statt „Patienten mit liegendem Zentralvenenkatheter“ heißt es künftig „Patienten mit zentralem Venenkatheter“. „Immunsupprimierte Patienten“ werden die Formulierung „Patienten mit geschwächter Immunabwehr“ ersetzen. Aus „Patienten mit lebensbedrohlicher Erkrankung“ wird „schwerkranke Patienten“. Genauer wird es für „Überempfindlichkeit gegen Hefe oder einen der sonstigen Bestandteile“. Der Passus wird durch „bekannte Überempfindlichkeit gegenüber einem der Inhaltsstoffe, Hefeallergie, insbesondere Saccharomyces boulardii“ ersetzt.
Neu sind hingegen die Handlungsanweisungen zum Umgang mit den Kapseln in unmittelbarer Nähe von schwerkranken oder immunsupprimierten Patienten sowie Patienten mit Venenkatheter. Denn aufgrund der Gefahr der Kontamination über die Raumluft dürfen die Kapseln und Sachets nicht mehr in den Räumen geöffnet werden, in dem sich die Patienten befinden. „Das medizinische Fachpersonal sollte bei der Handhabung von Probiotika für die Verabreichung Handschuhe tragen, die Handschuhe danach umgehend entsorgen und sich die Hände gründlich waschen“. Perenterol wird nur in bestimmten Fällen geöffnet, beispielsweise bei der Behandlung von Durchfällen unter Sondennahrung.
Grund für die Harmonisierung ist die sehr selten aufgetretene schwerwiegende Nebenwirkung Fungiämie, bei der Pilze das Blut der Patienten infizieren und eine Sepsis nach ziehen. Der Nachweis einer solchen systemischen Infektion wird über eine Blutkultur geführt. Betroffene leiden unter mäßigen bis schweren grippeähnlichen Symptomen, die sich bis zum septischen Schock steigern können. Die bislang im Zusammenhang mit der Verabreichung von Hefepräparaten beobachteten Fälle konnten zwar in der Regel mit Antimykotika behandelt werden; außerdem musste der Katheder entfernt werden. Aber auch einige Todesfälle bei schwerkranken Patienten sind dokumentiert.
Der PRAC erachtet das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Saccharomyces boulardii-Präparaten bei lebensbedrohlich Erkrankten oder immungeschwächten Patienten als geändert und hält ein Update der Produktinformationen für angebracht. Den Experten lagen 19 Fälle mit Preferred Term (PT) und 61 kumulativ gemeldete Fälle vor. Dokumentiert wurden zehn Fälle mit tödlichem Ausgang, denen eine Fungiämie und eine Sepsis zugrunde lagen, die im Zusammenhang mit der Gabe von Saccharomyces boulardii standen. Etwa die Hälfte der Todesfälle wurde bei Patienten mit einem zentralen Venenkatheter verzeichnet, für die zu dem Zeitpunkt bereits eine Kontraindikation bestand.
Saccharomyces boulardii ist als lyophilisiertes Präparat im Handel und kann bei verschiedenen Indikationen eingesetzt werden. Dazu zählen beispielsweise die Behandlung von Durchfällen zusätzlich zu Rehydration. In einigen Ländern wird die Hefe auch zur Behandlung Antibiotika-Assoziierter-Durchfalle (AAD) eingesetzt sowie bei wiederkehrenden Clostridium difficile Erkrankungen in Kombination mit Vancomycin und Metronidazol.