In den vergangenen Jahren wurde die Windpockenimpfung von Stiftung Warentest als kritisch eingestuft. Nun urteilt Warentest neu: Durch mehr positive Erkenntnisse fällt die Bewertung positiver aus – eine Impfung gegen Varizella zoster sei nach der Neubewertung durchaus sinnvoll. Zuletzt erteilte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Empfehlung zur Indikationserweiterung von Shingrix (GSK) für Risikopatienten ab 18 Jahre. Das Problem: Der adjuvantierte Impfstoff ist selten lieferbar.
Die Stiftung Warentest weicht bei einigen Impfempfehlungen immer mal wieder von der Meinung des Robert Koch-Instituts (RKI) ab. 2012 wurde deshalb ein eigener Impfkalender – mit Unterschieden bei drei Impfungen – veröffentlicht. Von der Windpocken-Impfung riet Warentest damals ab. Da der Impfschutz nicht lebenslang anhält, könnte eine wesentlich schwerere Erkrankung im Erwachsenenalter auftreten, so die Experten. Zu dieser Zeit gab es den attenuierten Impfstoff Shingrix zur Anwendung bei Erwachsenen noch nicht. Warentest sprach sich auch gegen den kombinierten Mumps-Masern-Röteln-Varizellen-Impfstoff aus, da bei den Impflingen vermehrt Fieberkrämpfe aufgetreten seien.
2018 folgte mit der Markteinführung des Totimpfstoffes Shingrix auch die Impfempfehlung seitens der Ständigen Impfkommission (Stiko). Diese empfiehlt die Vakzine als Indikationsimpfung für alle ab 60 Jahren. Risikogruppen sollen sogar bereits ab einem Alter von 50 Jahren geimpft werden. Damals lag es noch in der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), ob die Immunisierung zur Pflichtleistung der Kassen wird. Im März 2019 stand dann fest: Shingrix wird Kassenleistung. Der Totimpfstoff wird mit dem Bescheid des G-BA bei Patienten ab einem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit einem erhöhten Gefährdungsrisiko ab einem Alter von 50 Jahren Pflichtleistung der Kassen.
Durch die neueren Erkenntnisse und längeren Erfahrungen mit dem Impfstoff Shingrix ändert Warentest nun sein Urteil gegenüber den Varicella zoster Vakzinen. Innerhalb der Neubewertung erachtet Warentest eine Impfung sowohl für Kinder als auch für Erwachsene als sinnvoll. „Daher fällt das Urteil unserer Impf-Experten bei ihrer Neubewertung weit besser aus: Sie stufen die Windpocken-Impfung für Kinder sowie für Erwachsene, die Windpocken nicht durchgemacht haben und zu einer Risikogruppe gehören, als sinnvoll ein“, heißt es in der Neubewertung. Das gelte auch für die Impfung Älterer gegen Gürtelrose mit Shingrix.
Warentest gibt bei der Altersgrenze eine abweichende Empfehlung zur Stiko. Diese rät bei Vorerkrankungen wie Immunschwäche bereits ab 50 Jahren zu Shingrix – Warentest setzt die Altersgrenze nicht hinab und bleibt bei der grundsätzlichen Empfehlung ab 60. Warentest empfiehlt die Impfung mit dem attenuierten Totimpfstoff aufgrund einer hohen Immunantwort. Das bedeutet, die Vakzine enthält nur bestimmte Proteine des Varicella-Zoster-Virus. Für Warentest ist auch der Schutz vor den gefürchteten chronischen Schmerzen ein ausschlaggebendes Argument für die Impfung.
Stiftung Warentest informiert auch darüber, dass es seit der Einführung der Windpocken-Impfung Kritik zu den Vakzinen gab. Windpocken seien an sich eine harmlose Kinderkrankheit, eine Impfung sei nicht unbedingt notwendig. Bezüglich der Zweitinfektion im Erwachsenenalter erwarteten einige Experten sogar negative Folgen – als Basis für diese Kritik galt die „Booster-Theorie“. Diese Theorie besagt, dass es für Erwachsene, die bereits eine Windpocken-Infektion durchgemacht haben, wichtig sei, ab und an wieder mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Möglich sei dies beispielsweise durch den Kontakt mit einem windpockenkranken Kind. Dieser „Erinnerungskick“ fürs Immunsystem falle dann weg, wenn der Großteil der Kinder durchgeimpft ist.
Varicella-Zoster-Viren können zwei Krankheitsbilder auslösen: Windpocken und Gürtelrose, auch bekannt als Herpes Zoster. Windpocken treten typischerweise im Kindesalter auf. Gürtelrose entsteht als Spätfolge, meist im Erwachsenenalter. Varilrix und Varivax sind als Impfstoffe für Kinder zugelassen. Die STIKO empfiehlt allen Kindern die Varizellenimpfung mit zwei Impfstoffdosen vorzugsweise im Alter von 11 bis 14 Monaten für die erste Impfung und 15 bis 23 Monaten für die zweite Impfung. Darüber hinaus wird die Impfung Personen mit besonderen gesundheitlichen Risiken empfohlen, die bisher ungeimpft sind und noch keine Varizellen durchgemacht haben. Personen, bei denen eine serologische Testung keine spezifischen Antikörper detektiert werden als empfängliche Personen bezeichnet.
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