Vorsicht bei Novaminsulfon und ASS 100 APOTHEKE ADHOC, 08.05.2018 12:37 Uhr
Novaminsulfon und niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) sind häufig verordnete Arzneimittel in Deutschland, die tagtäglich über den HV-Tisch gehen. Laut Fachinformation kann bei gleichzeitiger Anwendung die Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation vermindert werden. Doch ist die Wechselwirkung im Alltag von Bedeutung? Viele Fragen bleiben offen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) fordert Studien mit größeren Patientenzahlen, um die klinische Relevanz besser beurteilen und evidenzbasierte Empfehlungen für die Praxis ableiten zu können.
Von einigen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Indometacin und Naproxen ist bekannt, dass sie die ASS-Wirkung auf die Thrombozytenaggregation behindern können, da sie mit ASS um die Bindung an die Cyclooxygenase-1 (COX-1) konkurrieren. Gilt das auch für Novaminsulfon? Aus In-vitro-Studien weiß man, dass auch das Pyrazolonderivat beziehungsweise seine aktiven Metabolite die Thrombozytenaggregationshemmung aufheben können, obwohl der auch als Metamizol bekannte Wirkstoff wahrscheinlich über einen anderen Mechanismus als NSAR die Cyclooxygenasen inhibiert. Ergebnisse einer Kohortenstudie mit einem kleinem Patientenkollektiv mit koronarer Herzkranheit zeigten hingegen, dass eine zeitliche Verzögerung der Einnahme beider Arzneimittel zum Erhalt der ASS-Wirkung führte.
Bei einer weiteren Beobachtungsstudie mit 72 KHK-Patienten erhielten die Studienteilnehmer ASS 100 oder ASS 100 plus Novaminsulfon. Der kombinierte Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod aus kardiovaskulärer Ursache trat nach einer medianen Beobachtungszeit von 3,2 Jahren signifikant häufiger in der Novaminsulfon-Gruppe auf. Allerdings ist die Untersuchung nicht sehr aussagekräftig, da es kein Matching und keine Adjustierung hinsichtlich der Risikofaktoren gab. Außerdem erhielten in beiden Gruppen jeweils 75 Prozent der Patienten nicht nur ASS 100, sondern zusätzlich einen weiteren Thrombozytenaggregationshemmer.
Eine weitere Studie untersuchte die pharmakodynamische Reaktion auf ASS bei mit Novaminsulfon behandelten 41 Patienten, die zuvor einen ischämischen Schlaganfall hatten. Diese erhielten ebenfalls entweder ASS 100 oder ASS 100 plus Novaminsulfon. Die Wissenschaftler beobachteten bei 62 Prozent der Patienten aus der Novaminsulfon-Gruppe ein gestörtes Ansprechen auf ASS.
Zusätzlich gab es in dieser Gruppe weniger Patienten, die eine ausgezeichnete neurologische Erholung aufwiesen. Wiederum gibt aber auch andere wissenschaftliche Untersuchungen, die keine Interaktion zwischen ASS und Novaminsulfon nachweisen konnten. Zum einen gab es eine kleine, einfach verblindete, randomisierte kontrollierte Studie aus dem Jahr 2017, bei der 43 KHK-Patienten nach einer Bypassoperation intravenös zugeführtes Novaminsulfon erhielten. Eine Wechselwirkung wurde nicht beobachtet. In einer anderen Studie wurde zehn gesunden Probanden zunächst an drei Tagen 100 mg ASS täglich verabreicht, an Tag vier und fünf bekamen sie zusätzlich drei mal 1 g Novaminsulfon. Auch hier blieb eine Beeinflussung der Wirkung von ASS aus.
Insgesamt legen einige In-vitro- und In-vivo-Studien nahe, dass die Wirkung von niedrig dosierter ASS bei gleichzeitiger Anwendung von Novaminsulfon die Thrombozytenaggregation negativ beeinflussen kann. Vor allem bei Patienten mit einem hohen Risiko für kardio- oder zerebrovaskuäre Ereignisse ist Vorsicht geboten. Die derzeitige Literatur bestätigt diese Interaktion allerdings nicht eindeutig.
Um seine hemmende Wirkung auf die Thrombozytenaggregation voll entfalten zu können, braucht ASS 100 einen zeitlichen Abstand vor der Einnahme anderer COX-Hemmer oder von Novaminsulfon. Die Ärzteschaft empfiehlt deshalb ASS 100 immer mindestens 30 Minuten vor Novaminsulfon einzunehmen. „Es ist jedoch unklar, ob und wieweit ein solches Vorgehen potenzielle Interaktionen bei einer längerfristigen Einnahme verhindern kann“, so die AdkÄ.