Vorsicht bei Lithium und ACE-Hemmern APOTHEKE ADHOC, 20.06.2019 14:12 Uhr
Im Apothekenalltag ist die Polypharmazie keine Seltenheit: Viele Patienten nehmen verschiedene Arzneimittelgruppen ein. Dabei gilt es wichtige und lebensbedrohliche Wechselwirkungen zu kennen, damit rechtzeitig reagiert werden kann. Eine solch gefährliche Kombination ist die Einnahme von Lithiumsalzen mit blutdrucksenkenden ACE-Hemmern.
Fall: Eine Frau mittleren Alters nimmt zur Behandlung ihrer bipolaren Störung Lithium schon über Jahre als Dauermedikation ein. Zur Einstellung und Behandlung ihres hohen Blutdrucks wurde ihr nun ein ACE-Hemmer verordnet.
Analyse: Der Plasmaspiegel von Lithium wird von allen Substanzen beeinflusst, die Einfluss auf die Natrium-Ausscheidung haben: ACE-Hemmer wie Ramipril, Captopril oder Enalapril können daher die Ausscheidung von Lithium verzögern. Die Folge sind erhöhte Plasmaspiegel, die mit starken Nebenwirkungen einhergehen, die bis hin zu Vergiftungserscheinungen reichen können.
Lithiumcarbonat wird zur Prophylaxe bipolarer affektiver Störungen und Episoden einer Major Depression eingesetzt. Außerdem kommt der Arzneistoff zur Therapie manischer Episoden zum Einsatz. Der genaue Wirkmechanismus der Lithiumsalze ist bislang nicht vollständig geklärt: Vermutlich beeinflusst die Substanz die Freisetzung von Neurotransmittern wie Noradrenalin und Serotonin. Möglich scheint auch eine regulierende Funktion an den Membranen der Nervenzellen bedingt durch die chemische Ähnlichkeit von Lithium mit Kalium und Natrium. Lithium wird unverändert und nahezu vollständig renal ausgeschieden. Im Handel sind Retardtabletten, die üblicherweise morgens und abends mit Flüssigkeit eingenommen werden.
Die Salze besitzen eine geringe therapeutische Breite, daher sollte die Lithiumspiegel regelmäßig kontrolliert werden. Die volle Wirksamkeit erreicht die Substanz in der Regel bei einem Spiegel von 0,5 bis 1,2 mmol/l. Patienten müssen einschleichend therapiert werden, bis die individuelle Dosis erreicht ist. Im Falle eines Serumanstiegs kann eine Intoxikation auftreten. Ab einer Konzentration von 1,6 mmol/l gilt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Vergiftungssymptomen als recht sicher. Diese äußern sich beispielsweise in Symptomen wie Polyurie, Appetitlosigkeit, Durchfall, Erbrechen, Dehydratation, Elektrolytstörungen, Muskelschwäche, erhöhtem Muskeltonus, unfreiwilligen Muskelzuckungen, Müdigkeit, Koordinations-, Konzentrations- und Artikulationsstörungen, Verwirrtheit, Somnolenz oder Schwindel. Eine solche Vergiftung kann ernst werden und im schlimmsten Fall zum Koma oder Herz-Kreislauf-Stillstand führen und somit tödlich enden.
ACE-Hemmer sind Arzneistoffe, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen. Therapeutisch werden unter anderem Captopril, Enalapril, Lisinopril und Ramipril eingesetzt. Aufgrund des Wirkmechanismus kommt es zu einer Häufung der Substanzen Bradykinin und Substanz P im Körper. Bradykinin ist ein vasoaktives Oligopeptid, das ähnlich wie Histamin wirkt. Unter der Therapie mit ACE-Hemmern kommt es häufig zu Nebenwirkungen wie trockenem Husten, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelkrämpfen oder erhöhten Kaliumwerten.
Kommunikation: Eine gemeinsame Einnahme von Lithium und ACE-Hemmern sollte nur erfolgen, wenn andere Therapieoptionen nicht erfolgreich sind. Die Patientin sollte dringend unter Beobachtung des Arztes stehen und engmaschig den Lithiumspiegel kontrollieren lassen. Bestenfalls sollte ein anderer Blutdrucksenker gewählt werden.
Therapie: Viele blutdrucksenkende Arzneistoffe haben Einfluss auf die Wirkung und Ausscheidung von Lithium. Betablocker sind im Vergleich zu ACE-Hemmern und Calciumkanalblockern besser für eine gleichzeitige Therapie mit Lithium geeignet. Zusätzlich muss jedoch das Wechselwirkungspotential weiterer eingenommener Medikamente mit einbezogen werden. Daher muss von ärztlicher Seite das Nutzen-Risiko-Verhältnis abgewogen werden.