Die erste Welle der Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass es bei einem weiteren Anstieg der Patientenzahlen mit Vollauslastung der Intensivstationen zu einer Verknappung des Injektionsnarkotikums Propofol hätte kommen können. Um diese Nichtverfügbarkeit zu vermeiden, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Abfüllung von Propofol 2 Prozent in Gebinden bis zu 100 ml erlaubt.
Um die verfügbare Wirkstoffmenge im Falle eines zweiten Corona-Ausbruchs schnell zu erhöhen, hat das BfArM die Produktion und Abfüllung von Propofol in 100-ml-Gebinden befristet erlaubt. Vorerst soll diese Ausnahmeregelung bis Ende des Jahres gelten, die Frist kann bei Bedarf verlängert werden. Das heißt, die Hersteller können aktuell von den geltenden Zulassungen abweichen. Wenn es für die Nutzen-Risiko-Bewertung für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erforderlich ist, kann die zuständige Bundesoberbehörde im Einzelfall befristet von bestimmten Zulassungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) abweichen. Dieses Vorgehen ist durch die am 27. Mai in Kraft getretene Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) möglich.
Unter folgenden Bedingungen dürfen Propofol-haltige Emulsionen in 100-ml-Durchstechflaschen aktuell verwendet werden:
Die Inhalte der Fachinformationen der betroffenen Arzneimittel gelten unverändert fort. Neu ist die erlaubte Aufteilung des Flascheninhalts auf zwei Patienten. Das Volumen von 100 ml ist ausschließlich für den Klinikmarkt vorgesehen.
Propofol ist ein intravenöses Anästhetikum. Es ist in Form einer Fettemulsion (Öl-in-Wasser-Emulsion mit Sojaöl) am Markt. Gegenüber anderen Anästhetika beschreiben Patienten ein angenehmes Einschlafen und Aufwachen. Die postoperative Übelkeit ist in den meisten Fällen nur gering. Propofol wirkt ausschließlich narkotisch, nicht analgetisch. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehört eine lokale Reizung der Venenwand während der Injektion, die von brennenden Schmerzen begleitet wird. Weiterhin kann es zur Atemdepression bis zur Apnoe kommen. Weitere unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Blutdruckabfall, spontane Bewegungen der Extremitäten und die Freisetzung von Histamin.
In manchen Krankenhäusern kam es während des ersten Ausbruchs in den letzten Wochen bereits kurzzeitig zu geringen Vorräten beim Narkosemittel Propofol. Deshalb fingen viele Klinikapotheken Mitte Mai bundesweit an, den Wirkstoff selbst zu beschaffen, um die notwendigen Medikamente in den eigenen Laboren herstellen zu können – auch die Apotheke des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. „Wir haben Listen erstellt und sehr genau analysiert, was Patienten brauchen, die Covid-19 haben und bei uns beatmet werden“, so Michael Baehr, Apothekenleiter der Krankenhausapotheke. Diese etwa 20 Medikamente – unter anderem für den Kreislauf, gegen Schmerzen, für die Betäubung und die Sedierung von Intensivpatienten – habe das Team unter ständiger Beobachtung. „Bei denen fürchten wir, im Notfall nicht richtig ausgestattet zu sein.“
Auch die Bundeswehr soll wieder selbst Arzneimittel herstellen, so die Forderung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner. Darauf sei nach Ende des Kalten Krieges aus betriebswirtschaftlichen Gründen verzichtet worden. Angesichts der derzeitigen Lieferengpässe sei jedoch ein Umlenken nötig. Eingestellt worden war die Arzneimittelproduktion nicht zuletzt aufgrund der Kritik des Bundesrechnungshofs. „Wir müssen für die dringend notwendige Versorgung unserer Soldaten umdenken und auch bestimmte Basismedikamente wieder selbst herstellen“, fordert Baumgärtner. „Ziel muss daher der Aufbau einer robusten Fähigkeit zur Herstellung von Arzneimitteln durch eigene Herstellungsstätten sein. Diesen dringend nötigen Dreiklang haben wir in der Corona-Krise identifiziert.“
APOTHEKE ADHOC Debatte