Patienten, die mit gewissen Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen minderversorgt sind, gelten als momentan noch unterschätzte Risikogruppe bei Sars-CoV-2-Infektionen. Die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel hat einen Leitfaden für das Ernährungsmanagement von Personen mit Covid-19 veröffentlicht. Darüber hinaus informiert die Fachgesellschaft auch über mögliche Risiken einer Mangelernährung. Neueste Erkenntnisse rücken hier insbesondere Vitamin K in den Fokus.
Der Großteil der Patienten, die einen schweren Covid-19-Verlauf erleiden, wird intensivmedizinisch betreut. Meist handelt es sich um ältere oder multimorbide Patienten. Der Aufenthalt auf der Intensivstation ist zusammen mit den Begleiterkrankungen und dem hohen Lebensalter häufig mit einem hohen Risiko für Unterernährung verbunden. Unter- oder Mangelernährung stellt immer einen relevanten Risikofaktor für eine höhere Morbidität und Mortalität bei chronischen und akuten Erkrankungen dar. Bereits nach wenigen Tagen auf der Intensivstation verlieren die Patienten einen großen Teil Muskelmasse. Dieser Verlust schwächt den Organismus allgemein, die Lebensqualität sinkt, die Morbidität steigt. Nicht nur ein längerer stationärer Aufenthalt, sondern auch viele chronische Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen können das Risiko von Unterernährung steigern.
Die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (Espen) empfiehlt daher eine routinemäßige Untersuchung des Ernährungszustandes bei intensivmedizinisch betreuten Corona-Patienten. Präzise Leitlinien sollen die Umsetzung eines adäquaten Ernährungsmanagements erleichtern. Für eine Mangelernährung aufgrund einer langen intensivmedizinischen Betreuung kommen folgende Gründe infrage: verminderte Mobilität, katabolische Veränderungen, insbesondere im Skelettmuskel, andere Veränderungen beim Abbau von Stoffwechselprodukten sowie eine verminderte Nahrungsaufnahme. Die unzureichende Zufuhr an Lebensmitteln verschlimmert sich tendenziell bei älteren Patienten. Eine künstliche Beatmung ohne adäquate Nährstoffsupplementierung führt auf Dauer ebenfalls zu einer Mangelernährung.
Patienten, deren Infektionen mit mittelschweren Symptomen einhergehen, sollten routinemäßig auf ihren Ernährungszustand geprüft werden. Ein Screening bei allen mittelschweren und schweren Verläufen kann laut Fachgesellschaft die Langzeitprognose verbessern. Die Prüfung sollte die sogenannten MUST-Kriterien umfassen. MUST steht für „Malnutrition Universal Screening Tool“. Folgende Punkte werden berücksichtigt: der aktuelle Body-Mass Index, der Gewichtsverlust der letzten drei bis sechs Monate und die aktuelle Art der Erkrankung. In der Summe ergibt sich das Gesamtrisiko für das Vorliegen einer Mangelernährung. Je nach erzieltem Wert (0,1,2 und >2) können weitere diagnostische Maßnahmen, wie beispielsweise ein Blutbild angeordnet werden.
Patienten, die eine Mangelernährung aufweisen, sollten so früh wie möglich behandelt werden. Fehlen bestimmte Vitamine und Mineralstoffe, so kann die körpereigene Immunabwehr nicht richtig arbeiten. Der Körper benötigt auch nach überstandener Infektion mehr Zeit bis zur vollständigen Genesung, als es bei gut ernährten Menschen der Fall ist. Untergewicht ist nur ein mögliches klinisches Bild für eine Unterernährung. Auch adipöse Menschen und mangel- und unterernährt sein. Bei gewissen Patientengruppen ist dieser Zustand wahrscheinlicher – onkologische Patienten, die eine Therapie mit Zytostatika erhalten, gelten als besondere Risikogruppe.
Erkranken Pflegeheimbewohner an Covid-19, so sollte laut Fachgesellschaften direkt an eine Mangelernährung gedacht werden, denn Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zum Ernährungszustand von Kranken und Pflegebedürftigen geben Anlass zur Sorge: Ein Viertel aller Pflegeheimbewohner und ein Drittel aller Krankenhauspatienten sind mit Nähr- und Mineralstoffen unterversorgt. Deshalb fordern Ernährungsexperten ein generelles initiales Ernährungscreening, wie es in anderen europäischen Ländern bei einer stationären Aufnahme schon üblich ist – auch außerhalb der Corona-Pandemie. „Das könnte die Situation der Patienten verbessern“, argumentiert der Vizepräsident der DGEM, Professor Dr. Johann Ockenga. „Besonders besorgniserregend ist zudem, dass sich die ernährungsmedizinischen Strukturen tendenziell verschlechtert haben.“
Um die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten, benötigt der Körper ein gewisses Maß an Bewegung. Durch Muskelkontraktionen wird die Durchblutung gesteigert. Auch die glatte Muskulatur profitiert von einem aktiven Lebensstil, so funktioniert beispielsweise der gesamte Verdauungsvorgang besser, wenn man sich ausreichend bewegt. Wer den ganzen Tag sitzt, leidet häufiger unter Blähungen und Verstopfung. Auch chronische Erkrankungen können sich verschlechtern. Es kommt zur Gewichtszunahme mit gleichzeitigem Abbau von Skelettmuskulatur. Darüber hinaus kann sich die Immunantwort reduzieren. Quarantäne muss nicht heißen, seine gewohnte Sportroutine zu vernachlässigen. Wer auch vorher aktiv war, der kann kostenfreie Apps für die Gestaltung des individuellen Sportprogramms nutzen. Aber auch eine intensivere Betätigung im Haushalt reicht für eine Aufrechterhaltung der Muskelmasse meist aus.
Die vorläufige Auswertung einer Studie, die sich mit dem Thema „Vitamin K und Covid-19“ beschäftigt hat, lässt vermuten, dass Menschen, die mit einem Vitamin-K-Mangel in die Infektion gehen, tendenziell häufiger stationär aufgenommen werden müssen, als Personen mit einem guten Vitamin-K-Wert. Forscher der Universität Maastricht konnten zeigen, dass eine ausreichende Zufuhr die Langzeitprognose für Corona-Patienten verbessert. Da das Vitamin auch als „Gerinnungsvitamin“ gilt, wollten die Forscher den Stoff näher untersuchen. In unterschiedlichen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass der Nährstoff an vielen Stellen im Stoffwechsel eingreift. So ist er unter anderem an der Aktivierung von gewissen Proteinen beteiligt, die Calcium in und aus den Knochen mobilisieren können. Darüber hinaus scheint der Stoff auch positive Auswirkungen auf Venen und Arterien zu haben: Die Rotterdam-Herz-Studie konnte zeigen, dass Menschen, die sich über einen mehrjährigen Zeitraum von Nahrungsmitteln mit hohem Anteil an natürlichem Vitamin K2 ernährten, deutlich weniger Calciumablagerungen in den Arterien hatten, als andere. Generell wiesen diese Patienten eine bessere Herz-Kreislauf-Gesundheit auf.
Innerhalb der Studie nutzten die Forscher Bluttests zur Bestimmung des Vitamin-K-Wertes. Auch die Geschwindigkeit des Elastinabbaus wurde mit einem speziellen Parameter bestimmt. Das Faserprotein gehört zu den Strukturproteinen und gibt beispielsweise den Gefäßen ihre Elastizität. Patienten, die einen schweren Covid-19-Verlauf erlitten, hatten zumeist schlechtere Vitamin-K-Blutwerte, als Patienten, die nach kurzer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Die Wissenschaftler stellten eine gewisse Korrelation zwischen Vitamin K und Elastin fest. Zwar würden weitere Studien für eine valide Aussage benötigt, doch eins könnten die Wissenschaftler bisher festhalten: Patienten mit einem Vitamin K-Mangel weisen eine erhöhte Abbaugeschwindigkeit des Faserproteins auf. Elastin gilt seit längerem als valider Biomarker für den Verlauf von Lungenkrankheiten.
Die DGE gibt für Frauen ab 51 eine geschätzte angemessene tägliche Zufuhr von 65 Mikrogramm Vitamin K an. Für Männer wird eine Aufnahme von 80 Mikrogramm empfohlen. Zu den Lebensmitteln mit einem hohen Vitamin K-Gehalt zählen Grünkohl, Schnittlauch, Brokkoli, Brunnenkresse und Spinat. Auch einige Öle enthalten höhere Mengen des Vitamins, darunter Soja-, Traubenkern- und Rapsöl.
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