Krebsforschung

Vitamin A schickt Blutstammzellen in den Schlaf

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Berlin -

Der Einfluss von Vitamin A auf das Immunsystem wird seit Langem diskutiert. Retinol soll die Anzahl der weißen Blutkörperchen erhöhen und somit zu einer erhöhten Antikörperproduktion beitragen. Vitamin A kann einen Einfluss auf Blutstammzellen nehmen. Das belegten nun Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gemeinsam mit den Kollegen vom Heidelberger Stammzelleninstitut (HI-STEM). Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Cell“.

Adulte Stammzellen teilen sich ein Leben lang und bringen neue spezialisierte Zellen hervor. Dieser Prozess ist unerlässlich, denn Zellen der Haut, im Darm oder im Blut haben beispielsweise nur eine kurze Lebensdauer und brauchen stetig Nachschub.

Das Knochenmark bietet zudem ein Reservoir an bestimmten besonderen Stammzellen. Diese Notfallzellen wurden bereits 2008 von einem Forscherteam um Professor Dr. Andreas Trumpp, Abteilungsleiter am DKFZ und Direktor des HI-STEM erkannt. Sie verbringen die meiste Zeit in einem Schlafzustand. Gerät der Körper in einen Notfall, zum Beispiel durch einen bakteriellen oder viralen Infekt, eine Chemotherapie oder einen Blutverlust, werden die Zellen aus ihrem Schlaf geweckt. Ist der Ausnahmezustand überstanden und haben die Zellen ihre Arbeit getan, fallen die besten erneut in den Ruhezustand. Dies könnte Mutationen vorbeugen.

Welche Auslöser genau für das Wecken und in den Schlaf schicken der Stammzellen verantwortlich sind, war bislang unbekannt. Die Forscher konnten der Retinsäure eine Schlüsselfunktion zuschreiben. Der Vitamin-A-Säureabkömmling versetzt die Zellen in den Schlaf. Im Mausmodell konnten die Forscher belegen, dass bei einem Mangel die aktiven Stammzellen nicht in die Ruhephase zurückversetzt werden. Stattdessen wachsen sie zu spezialisierten Blutzellen heran. Die Zahl der besonderen Stammzellen reduziert sich.

„Füttern wir diese Mäuse über längere Zeit mit einer Vitamin-A-freien Diät, führt dies zum Verlust der Stammzellen“, so die Erstautorin Dr. Nina Cabezas-Wallscheid. „Damit können wir erstmals belegen, dass Vitamin A einen direkten Einfluss auf Blutstammzellen hat“. Zudem zeige die Studie, wie lebenswichtig die Aufnahme von Vitamin A über eine ausgewogene Ernährung ist, so Cabezas-Wallscheid, denn der Körper könne den Vitalstoff nicht selbst produzieren.

Das Studienergebnis könnte ein neuer Ansatz in der Behandlung von Krebspatienten sein. Die Forscher vermuten, dass nicht nur gesunde Stammzellen, sondern auch Krebsstammzellen in den Schlaf versetzt werden können. In diesem Ruhezustand ist der Stoffwechsel der Zellen fast gänzlich inaktiv – die Krebszellen sind gegenüber der Chemotherapie unempfindlich.

„Wenn wir im Detail verstanden haben, wie das Vitamin A beziehungsweise die Retinsäure dazu beiträgt, normale und bösartige Stammzellen in den Schlaf zu schicken, können wir versuchen, den Spieß umzudrehen“, erklärt Trumpp. „Gelänge es, Krebsstammzellen kurzzeitig gezielt in einen aktiven Zustand zu bringen, könnte man sie damit zugänglich machen für moderne Therapien.“ Zu beachten ist eine weitere Forschungsarbeit des Teams in Kooperation mit dem European Bioinformatics Institute Cambridge. Der Übergang von schlafenden in aktive Stammzellen und anschließend zu Vorläuferzellen ist für jede Zelle individuell und verfolgt ein einzigartiges Entwicklungsschema.

Vitamin A ist in Leber, Lebertran, Butter und Käse zu finden. Pflanzliche Nahrung enthält meist Beta-Carotin, das Provitamin A. Karotten, Grünkohl, Tomaten oder Paprika können Lieferanten sein, der Gehalt variiert je nach Zubereitungsart. Das fettlösliche Vitamin kann weder abgebaut noch ausgeschieden werden, Stattdessen reichert es sich im Körper an. Die Folge können Hypervitaminosen sein. Augen, Haut oder Immunsystem benötigen Vitamin A, ein Mangel kann beispielsweise zu Nachtblindheit führen.

Nicht nur Nahrungsergänzungsmittel enthalten Vitamin A. Auch Cremes und Lippenstifte zur Faltenminderung wird die Substanz zugesetzt. Doch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin empfiehlt, nicht zu viel davon durch Kosmetikprodukte aufzunehmen: Eine Überdosis Vitamin A könne Kopfschmerzen und Übelkeit verursachen. Werde zu viel durch Nahrung und Kosmetika aufgenommen, könne die Leber erkranken und sich die Haut schuppen. Retinol, eine Stoffgruppe des Vitamin A, kommt häufig in Anti-Aging-Produkten vor.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene eine Tagesdosis von rund einem Milligramm der sogenannten Retinol-Äquivalente, mehr als drei Milligramm sollten es nicht sein. Wer ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche habe, solle maximal 1,5 Milligramm pro Tag zu sich nehmen. Dazu zählen Frauen nach den Wechseljahren – eine bevorzugte Zielgruppe von Anti-Aging-Produkten.

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