Das medizinische Rätsel, warum zusammengefügte Darmenden nach einer Bauchoperation trotz sorgfältigster Nahttechnik wieder aufplatzen, scheint gelöst. Wie der US-Chirurg Professor John Alverdy am Tiermodell beweisen konnte, kann ein Eingriff die Zusammensetzung der Darmbakterien so verändern, dass sie giftige Substanzen freisetzen und die Wundheilung stören. Experten forschen jetzt an einem Gegenmittel, das – anders als Antibiotika – keine Resistenzen fördert.
Nach der Entfernung eines erkrankten Darmabschnitts muss der Chirurg die Verbindung – die Anastomose – zwischen den Darmenden wieder herstellen. „Technisch ist dies kein Problem, Chirurgen wissen, worauf sie achten müssen“, erklärt Professor Dr. Dietmar Lorenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Doch auch die perfekte Naht ist keine Garantie, dass zusammenwächst, was zusammengefügt wurde.
Im ungünstigsten Fall entsteht in der Nahtreihe der Darmwand ein Loch, eine Insuffizienz. Dann entweicht Stuhl in den Bauchraum und löst eine massive Infektion aus, die sich zur Lebensbedrohung entwickeln kann. „In jedem Fall werden aufwendige, teure Nachbehandlungen notwendig“, betont Lorenz.
Bislang wurden die Ursachen für diese Anastomosen-Insuffizienz auf Seiten der Chirurgen gesucht. „Eine hohe Spannung auf der Naht, Durchblutungsstörungen, fehlerhafte Nahttechniken, ungeeignetes Nahtmaterial und andere mechanische Faktoren galten als Auslöser“, erklärt Lorenz.
Neuere Forschungsergebnisse rücken nun Bakterien, die natürlicherweise im Darm vorkommen, in den Fokus. „Alverdy und seine Forschergruppe haben als erste gezeigt, warum und auf welche Weise Bakterien chirurgische Komplikationen nach Operationen am Gastrointestinaltrakt verursachen“, erläutert der DGAV-Präsident.
Denn die Operation verändert die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm, im sogenannten Mikrobiom. „Häufig verschwinden die guten Bakterien, die die Wundheilung nicht stören, und die schlechten nehmen dramatisch zu“, erläutert Lorenz: „Die schlechten Bakterien setzen dann Substanzen frei, die die Elemente zerstören, die unser Körper hergestellt hat, um den Heilungsprozess nach der chirurgischen Wiedervereinigung der Darmenden in Gang zu bringen“.
Zwar haben Studien gezeigt, dass die Anastomosen-Insuffizienz durch das Auftragen von Antibiotika im Darmtrakt erfolgreich verhindert werden kann. John Alverdy sieht darin jedoch nicht die endgültige Lösung – Ziel müsse sein, die guten Bakterien im Darm zu fördern und die schlechten zu verdrängen.
„Durch hochmoderne Forschungsansätze werden wir in Kürze noch viel mehr über diese Vorgänge erfahren“, erwartet Lorenz. Schließlich werde es möglich sein, das Mikrobiom so zu beeinflussen, dass pathogene Bakterien, die Anastomosen-Insuffizienzen verursachen können, unterdrückt werden. „Damit können wir auch den Einsatz von Antibiotika reduzieren und das Problem der multiresistenten Krankenhauskeime besser in den Griff bekommen“, betont DGAV-Präsident Lorenz.
Für seine Entdeckung ernennt die DGAV den amerikanischen Forscher auf dem 133. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) zum Ehrenmitglied. Der DGCH-Kongress findet Ende April in Berlin statt.
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