Lebensmittelinfektionen

Virus-Mahlzeit gegen Salmonellen

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Berlin -

Auf Eiern, Hühnerfleisch, Rohmilchkäse oder vorgeschnittenem Gemüse können gefährliche Lebensmittelkeime wie Salmonellen oder Listerien zu finden sein. Der Einsatz von Viren könnte künftig Krankheitsfälle reduzieren.

In Deutschland werden pro Jahr etwa 200.000 Lebensmittelinfektionen gemeldet. Die Dunkelziffer ist weitaus höher, denn nicht jeder Erkrankte sucht einen Arzt auf. Wer sich den Magen verdirbt, kann unter Durchfällen, Erbrechen, Krämpfen oder Fieber leiden. Pathogene Keime wie Salmonellen, Listerien, Staphylococcus aureus oder Campylobacter können Ursache für die Beschwerden und eventuelle Folgeerkrankungen sein. Weltweit sterben etwa 420.000 Menschen pro Jahr an einer Lebensmittelinfektion.

Zum Einsatz gegen die Bakterien auf Lebensmitteln kommen Viren, sogenannte Bakteriophagen. Der Name leitet sich aus „Bakterion“ für Stäbchen und „Phagein“ für Fressen ab. Diese Bakterienfresser können sich nicht alleine vermehren, sondern benötigen einen Wirt – das Bakterium. In der Folge ihrer Fortpflanzung lösen sie die Bakterien auf. Während Antibiotika Bakterien vor allem in der Wachstumsphase unschädlich machen, können Phagen unabhängig von Vermehrungsphase und Wachstum Bakterien abtöten. Phagen sind überall dort zu finden, wo auch das passende Bakterium vorliegt.

Die USA, Kanada, Australien und die Schweiz setzen Phagen bereits gegen die pathogenen Keime ein. In Russland sind entsprechende Präparate in Apotheken gar frei verkäuflich. Der niederländische Hersteller Micreos rechnet mit einer Zulassung der Dekontaminationsmittel für den deutschen Markt noch in diesem Jahr.

Phagen sind wirtsspezifisch: Sie greifen meist nur eine bestimmte Art oder gar Unterart eines Bakteriums an und haben im Gegensatz zu Antibiotika ein geringeres Wirkspektrum. Das ermöglicht jedoch auch einen gezielten Einsatz der Bakterienfresser, denn sie lassen erwünschte Bakterien unberührt und scheinen somit für den Menschen unschädlich.

Haben Phagen das passende Zielbakterium gefunden, docken sie an dessen Oberfläche an. Dies gelingt nur, wenn sie die nötige Hüllproteinstruktur und die entsprechenden enzymatischen Eigenschaften besitzen, um die Bakterienoberfläche zu perforieren. Phagen schleusen ihr Genom in die Wirtszelle ein, wo es in Proteine umgewandelt wird. In der Folge wird das Bakterium umprogrammiert, neue Phagen werden produziert. Wird es in der Wirtszelle zu eng, platzt diese auf. Die freigesetzten Phagen infizieren solange Zellen, bis ihre Grundlage entzogen ist.

Fehlen Phagen die entsprechenden Wirtszellen, zerfallen sie in ihre Bestandteile und werden vom menschlichen Körper verstoffwechselt. Dennoch scheint die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorsichtig und fordert beispielsweise Studien zu Wirksamkeit und Resistenzen. Zwar räumte die Behörde ein, dass die Bakterienbesiedlung der im Experiment untersuchten Waren um den Faktor 100 bis 1000 gemindert wurde. Jedoch könne man nicht auf den Effekt auf reale Ware schließen. Die Zulassungsbehörde der USA zeigte sich weniger skeptisch und stufte die natürlich vorkommenden Phagen als „grundsätzlich sicher“ ein.

„Werden Bakteriophagen, die gezielt Salmonellen oder Listerien befallen, in den Herstellungsprozess der Lebensmittel mit eingebaut, so können gefährliche Bakterienkontaminsationen verringert oder verhindert werden“, gibt Micreos an. Die in Kulturen angelegten Phagen können an Oberfläche oder im Inneren der Lebensmittel angewendet werden.

Werden auf den Lebensmitteln verbleibende Phagen verzehrt, überstehen diese die Magensäure meist nicht oder werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Gelangen sie jedoch in den Blutkreislauf, werden sie vom Immunsystem eliminiert: Sie werden von den körpereigenen Abwehrzellen erkannt und vernichtet.

Waren Bakteriophagen lange in Vergessenheit geraten, könnten sie aufgrund der steigenden Antibiotikaresistenzen wieder mehr an Interesse gewinnen. Phagen könnten zum Beispiel in der Wundversorgung eingesetzt werden. Gazen, die mit gefriergetrockneten Phagen benetzt sind, können auf Wunden aufgebracht werden. Durch die darin enthaltene Flüssigkeit würden sie reaktiviert und könnten wieder Bakterien abtöten.

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