HIV-Backbone jetzt generisch Nadine Tröbitscher, 24.11.2016 14:25 Uhr
Etwa eine Milliarde Euro fallen pro Jahr in Deutschland für die Behandlung von HIV-Patienten an. Spielten Generika für die antiretrovirale Therapie (ART) bislang keine große Rolle, können sie künftig vermehrt zum Einsatz kommen. Für die Fix-Dose-Kombination Abacavir/Lamivudin stehen seit Juni kostengünstigere Generika zur Verfügung. Das Originalpräparat Kivexa (GlaxoSmithKline) ist seit 2005 auf dem Markt.
Ratiopharm brachte im Juni das erste Generikum zu Kivexa auf den Markt. Betapharm folgte im August, Hormosan im Oktober; Hexal und Mylan dura zogen im November nach. Wie das Original enthalten die Generika 600 mg Abacavir und 300 mg Lamivudin und sind als 30 und 90 Filmtabletten erhältlich. Die günstigsten Anbieter sind Hormosan und Ratiopharm: 30 Filmtabletten kosten je 665,40 Euro und die Quartalspackung 1956,80 Euro. Zum Vergleich: Kivexa kostet 782,82 Euro beziehungsweise 2302,10 Euro. Für Ratiopharm liegen bereits Rabattverträge vor.
Die ART ist eine lebensrettende Therapie und verschafft HIV-Infizierten eine annähernd normale Lebenserwartung bei steigender Lebensqualität. Die Wirkstoffe dienen in Kombination als „Backbone“ für die Therapie und werden nach Tenofovir/Emtricitabin am zweithäufigsten eingesetzt. Abacavir/Lamivudin sind nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) und verhindern das Umschreiben der Virus-RNA in DNA.
Backbones bilden die Basis des individuellen Therapieregimes und werden mit weiteren Wirkstoffen kombiniert. Sie können mit einem Proteaseinhibitor (PI) wie Invirase (Saquinavir) oder Prezista (Darunavir) und/oder einem Entry-Inhibitor (EI) wie Celsentri (Maraviroc) als Dreifachbehandlung gegeben werden.
Die Dreierkombination greift an verschiedenen Stellen in der Virusvermehrung an und gilt als hochaktive antiretrovirale Therapie. Der EI verhindert ein Eindringen des Virus in die Zelle über den Co-Rezeptor CD5, die NRTI sorgen für einen Kettenabbruch während der Umschreibung der Virus RNA und der PI hemmt die Reifung des neuen Virus.
Für den Einsatz von Maraviroc ist ein Tropismustest vor Therapiebeginn notwendig, dieser gibt an, über welchen Co-Rezeptor das Virus in die Zellen gelangt – CD4 oder CD5. Zudem liegen für den Wirkstoff vermehrt Resistenzen vor.
In den nächsten Jahren läuft der Patentschutz für Tenofovir-Disoproxylfumarat (TDF) ab, das in fester Kombination mit dem Wirkstoff Emtricitabin im Handel erhältlich ist. TDF kommt bei etwa 70 bis 80 Prozent der HIV-Patienten zum Einsatz. Die NRTI-Kombination Truvada wird inzwischen sogar für die Präexpositionsprophylaxe PrEP als Schutz vor Ansteckung eingesetzt. Im „Truvada-Nachfolger“ Descovy wurde TDF durch Tenofovir-Alafenamid (TAF) ersetzt, die Kombination aus Emtricitabin und TAF ist besser verträglich, da TAF im plasmastabil ist und geringer dosiert werden kann.
Auch bei den nicht-nukelosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) sind bereits Generika auf dem Markt. Jüngster Neuzugang war im November Aurobindo mit einem weiteren Generikum zu Sustiva (Efavirenz). Der Wirkstoff wird einmal täglich in einer Dosis von 600 mg vorzugsweise vor dem Schlafengehen eingenommen. NNRTI werden mit einem NRTI und/oder einem PI und/oder einem Booster wie Cobicistat oder Ritonavitrkombiniert.