Bakteriophagen

Viren sollen zum Arzneimittel werden

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Berlin -

Wissenschaftler verschiedener Institute kooperieren im Rahmen eines gemeinsamen Projektes, um die Verwendung von Bakteriophagen als Alternative zu gängigen Antibiotika zu etablieren. Langfristiges Ziel ist die Zulassung dieser Viren als Arzneimittel in unterschiedlichen Indikationen und Darreichungsformen. Als erstes Medikament ist ein inhalierbarer Wirkstoff gegen das Bakterium Pseudomonas aeruginosa geplant.

Resistenzen nehmen zu, weltweit suchen Forscher nach neuen Möglichkeiten, die negative Folge der Antibiotikatherapie zu umgehen. Eine Alternative könnten Bakteriophagen sein, die auf Bakterien als Wirtszellen spezialisiert sind. Sie nutzen die Bakterienzellen für ihre eigene Vermehrung; in der Folge werden die Bakterien abgetötet.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Projekt „Phage4Cure“ ist ein gemeinsames Vorhaben von vier bundesweiten Einrichtungen, die in diesem Wirkmechanismus ein Potenzial sehen. Dazu gehören das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), die Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Berliner Charité sowie das Charité Research Organisation (CRO).

Die Wissenschaftler werden im Rahmen des Projekts mit Bakteriophagen arbeiten, die sich spezifisch gegen den multiresistenten Erreger P. aeruginosa richten. Das Bakterium ist bekannt dafür, Lungenentzündungen hervorzurufen. „Unser mittelfristiges Ziel ist es, Phagen als neuartige und zusätzliche Therapie für verschiedene Infektionskrankheiten und in unterschiedlichen Verabreichungsformen als Arzneimittel zu entwickeln – insbesondere da, wo Antibiotika gegenwärtig an ihre Grenzen gelangen“, sagt Dr. Holger Ziehr, Projektkoordinator und Leiter der Pharmazeutischen Biotechnologie am ITEM.

Dazu werden Forscher der DSMZ zunächst geeignete Bakteriophagen suchen. „Es gibt viele verschiedene Pseudomonas-aeruginosa-Stämme, die sich jeweils nur leicht voneinander unterscheiden. Die Herausforderung ist, Phagen mit einem möglichst breiten Wirtsspektrum zu finden“, erläutert Dr. Christine Rohde, Phagen-Expertin der DSMZ. Die Forschungsobjekte kommen beispielsweise in Kläranlagen vor. Die aus der Wasserprobe isolierten Phagen werden im Labor vermehrt und auf ihre antibakterielle Wirksamkeit getestet. Ausgewählt werden diejenigen, die möglichst viele der Pseudomonaden töten können. Die besten von ihnen werden dann genetisch analysiert und zwecks weiterer biotechnologischer Schritte an das ITEM übergeben.

Die Wissenschaftler um Ziehr werden dann aus diesen ausgewählten Phagen einen GMP-konformen, inhalierbaren Wirkstoff herstellen. Ziel ist die Generierung eines Herstellungsprozesses, der mit nur geringen Veränderungen auch auf andere Phagen übertragbar sein wird. Danach folgen präklinische Untersuchungen zur Sicherheit, Wirksamkeit, Immunogenität und Stabilität am ITEM Hannover und im Labor von Professor Dr. Witzenrath, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik der Charité mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie.

Die erstmalige Testung der Phagen am Menschen soll im Anschluss auf der Forschungsstation der CRO erfolgen. Die Forscher möchten anhand von Einzel- und Mehrfachgaben an gesunden Freiwilligen die Sicherheit und Verträglichkeit überprüfen. Zuletzt ist eine klinische Studie vorgesehen, die die Wirksamkeit an Patienten mit chronischer Besiedlung durch P. aeruginosa untersuchen soll.

Der Vorteil von Bakteriophagen liegt in ihrer spezifischen Wirksamkeit. Im Unterschied zu Antibiotika greifen sie nur jeweils Keime einer Bakterienart an. Die wichtigen Darmbakterien bleiben erhalten. In Osteuropa ist der therapeutische Einsatz von Bakteriophagen bei bakteriellen Infektionen bereits Praxisalltag. „Infektionen der Lunge durch Antibiotika-resistente Bakterien stellen zunehmend ein klinisches Problem dar. Wir hoffen, Patienten zukünftig mit Phagen helfen zu können“, so Witzenrath.

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