In Apotheken könnten demnächst erste Rezepte über einen neuen Cannabis-Vollextrakt auftauchen. Das Unternehmen Vertanical hat sein erstes Produkt auf den Markt gebracht. Hinter der Firma steht der Münchener Unternehmer Dr. Clemens Fischer.
Ware kann seit vergangenem Freitag direkt beim Hersteller bestellt werden, ein 25-köpfiger Außendienst bespricht das Produkt bei den Ärzten. Der Preis von 170 Euro ist vergleichbar mit dem anderer Anbieter, dafür liegt jeder Packung ein Antikörper-Test bei, der zur Identitätsprüfung eingesetzt werden kann. In der Apotheke müsse damit keine DC mehr durchgeführt werden, so Fischer.
Der Vollextrakt THC 50 soll nur das erste Produkt von Vertanical sein, weitere Extrakte (CBD 50, THC 50/CBD 50) sowie Blüten sollen in den kommenden Wochen folgen. Anfang kommenden Jahres soll auch Dronabinol zum Portfolio gehören.
Fischer geht davon aus, dass er mit seinen Produkten „gerade rechtzeitig“ kommt. Einerseits hätten die Ärzte jetzt genügend Erfahrung gesammelt und Cannabis als Alternative bei Schmerzpatienten im Hinterkopf. Andererseits sei seit Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) bei einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels des Anbieters nach einmal erfolgter Genehmigung kein erneuter Antrag bei der Krankenkasse mehr notwendig.
Im dänischen Kerteminde hat Fischer im Mai eine riesige Plantage gekauft, auf der bislang Rosen gezüchtet wurden. Im Juni wurde dort mit dem Anbau von Cannabis begonnen. Das erste Gewächshaus hat eine Kapazität von zehn Tonnen jährlich. Bei Fertigstellung aller Gewächshäuser kann Fischer die Kapazität bis auf 100 Tonnen jährlich erweitern.
Der Firmenchef macht sich aber keine Illusionen, dass ohne wissenschaftliche Evidenz der Hype um Cannabisblüten in der Medizin ewig andauern wird. Er will daher beweisen, dass sich gerade bei Schmerzpatienten die Leiden positiv beeinflussen lassen. Dazu plant er mehrere medizinische Studie – bei den Behörden rennt er damit offene Türen ein. Denn die suchen händeringend nach Unternehmen, die den Aufwand auf sich nehmen und die Wirksamkeit von Cannabis bei bestimmten Krankheitsbildern nachweisen.
Fischer ist bereit, in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag zu investieren. So groß ist seine Vision – und so groß sind auch die Erlöse, die der Verkauf von Marken wie Yokebe und Lactostop gebracht hat. 22 Mitarbeiter sind bei Vertanical bereits im Bereich Forschung beschäftigt. Und Fischer plant in Österreich bereits den Bau einer Fabrik, in der GMP-konform produziert werden kann. Mindestens zwei Zulassungen von Fertigarzneimitteln sollen am Ende herauskommen.
Nach dem Medizinstudium hatte Fischer 2001 als Produktmanager bei Novartis angeheuert. Gleich sein erstes Projekt zum Thema Parallelhandel stieß auf Interesse beim damaligen globalen Pharmachef Thomas Ebeling, der den aufstreben Nachwuchsmanager unter seine Fittiche nahm. Den Harvard-MBA in der Tasche, wurde Fischer direkt in die Geschäftsleitung berufen, bekam die Verantwortung für die Strategie und den Bereich Herz-Kreislauf mit Präparaten wie Rasilez, Galvus/Eucreas, Myfortic/Neoral und Diovan/Mono-Embolex. Parallel war er als Unternehmensberater tätig.
2009 hängte er seinen Job an den Nagel und stieg gemeinsam mit Madlena Hohlefelder, Tochter eines ehemaligen Ministerialrats im Bundesumweltministerium und späteren Atom-Lobbyisten, ins OTC-Geschäft ein. Für viele seiner oftmals homöopathischen Produkte besorgte Fischer sich die Zulassungen in den Archiven alteingesessener Mittelständler; mit massivem Werbedruck sorgte er für Nachfrage. Heute sind Marken wie Restaxil, Rubaxx und Taumea in fast jeder Apotheke zu finden; ein 30-köpfiger Außendienst betreut die Teams, noch einmal so viele Mitarbeiter sind in Praxen unterwegs.
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