Infektionskrankheiten

Verkürzte Frist für HIV-Tests dpa, 21.08.2015 12:45 Uhr

Berlin - 

Ungeschützter Sex, ein Stich mit einer Nadel – und die Angst vor dem Aidserreger ist da. Bisher musste man drei Monate warten, um sich testen lassen zu können. Jetzt geht es deutlich schneller.

Sechs Wochen Angst statt drei Monate: Ein HIV-Test kann in Deutschland jetzt schon deutlich früher Sicherheit liefern. Es gelten nun entsprechende Leitlinien, wie die Deutsche Aids-Hilfe mitteilte. „Bisher hat man den Leuten gesagt: Ihr müsst drei Monate warten, sonst ist es nicht sicher“, sagte Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe. Die Zahl der Viren und Antikörper nimmt erst allmählich zu. Nun aber verkürzten die zuständigen medizinischen Fachgesellschaften die erforderliche Frist.

„Das ist für viele Menschen eine Erleichterung und kann zum Test motivieren“, sagt Armin Schafberger, Medizinexperte der Deutschen Aids-Hilfe. Grund für das kürzere Zeitfenster zwischen einer Risikosituation und einer Diagnose ist ein empfindlicheres und kombiniertes Verfahren sowie mehrere Überprüfungen dieses Tests.

Dieser Ag-Ak-Kombinationstest prüft auf Antigene (Ag) und Antikörper (Ak). Er weist Antikörper im Blut früher und sicherer nach als ältere Versionen. Zusätzlich kann er ein Antigen anzeigen: das Protein p24 des Aidserregers. Es ist nur vorübergehend zu finden – aber schon nach ungefähr zwei bis drei Wochen nach einer Infektion.

Diese Tests sind allerdings nicht neu. Sie sind laut Deutscher Aids-Hilfe seit 1997 auf dem Markt, und fast alle Labors verwenden sie inzwischen. Neu ist aber: Menschen, die sich auf das HI-Virus testen lassen wollen, können das jetzt früher tun.

„Die drei Monate Frist, die bisher galten, waren einfach ein Sicherheitsfaktor“, sagt der Virologe Jörg Hofmann vom Berliner Uniklinikum Charité. „Man möchte natürlich sicher sein, dass der Test niemanden als HIV-negativ ausweist, der sich doch angesteckt hatte – nur, weil man zu früh getestet hat.“ Es hätten erst genügend Untersuchungen zeigen müssen, dass der Test bei der Mehrheit der Menschen schon nach sechs Wochen funktioniert.

Mit ihrer Stellungnahme folgen die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten (DVV) und die Gesellschaft für Virologie (GfV) den europäischen Richtlinien, die schon vor einem Jahr geändert worden waren. In Großbritannien wurde die Diagnose-Frist für den Kombi-Test sogar auf vier Wochen verkürzt.

In Deutschland ändert sich nach der Stellungnahme der DVV und GfV allerdings noch etwas. Schlägt der Kombi-Test an, können Betroffene auch schneller eine Bestätigung bekommen als bislang.

Wenn der erste Test Hinweise auf eine Infektion liefert, ist nicht zu erkennen, ob er auf Antikörper reagierte oder auf das Antigen, das noch vor Bildung der Antikörper vorhanden ist. Ist es das Antigen, kann es das bisher vorgegebene Bestätigungsverfahren – der Western-Blot-Test – nicht erkennen. Die Menschen mussten also in Unsicherheit warten, bis auch Antikörper nachgewiesen werden konnten.

Es gibt allerdings eine Methode, die ein Ergebnis auch ohne Antikörper bestätigen kann: der Erbgutnachweis (per PCR). Bleibt der Western-Blot-Test negativ, soll jetzt nach den neuen Leitlinien ein Erbgut-Nachweis gemacht werden. Zwar ist das schon gängige Praxis: Viele Ärzte haben nach einem reaktiven Suchtest gleich einen solchen Test veranlasst, heißt es im aktuellen Aids-Report der Deutschen Aids-Hilfe. „Das hat aber bisher auf den Meldebogen nicht gegolten“, sagt Schafberger. „Man will aber die Infektion gleich dem Robert Koch-Institut melden und dem Patienten gleich ein sauberes Ergebnis geben.“

Ungewissheit ist belastend. „Deshalb ist es psychologisch gut, wenn man früher Bescheid weiß“, sagt Klaus Überla, Leiter des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen. Er weist noch auf eine weitere Erleichterung für Patienten hin: Eine Probe soll jetzt für beide Tests, den Suchtest und die Bestätigung, genommen werden. „Dann muss der Betroffene nicht noch mal angeschrieben werden, noch einmal Blut abgeben.“

Für HIV-Schnelltests und ältere Test-Versionen bleibt es allerdings bei einem diagnostischen Fenster von zwölf Wochen. Die DVV und die GfV machen außerdem zwei Ausnahmen bei der kürzeren Frist: Sie gilt nicht für Menschen, die eine Infektion mit einer seltenen HIV-Variante haben, nämlich HIV-1 Gruppe 0 oder HIV-2. Und auch wer bereits eine Immunsuppression oder einen Immundefekt mit Antikörperbildungsstörung hat, kann sich nicht schon nach sechs Wochen auf den Test verlassen.

Nach einer Schätzung des Robert Koch-Instituts lebten 2013 rund 80.000 Menschen in Deutschland mit HIV oder Aids und etwa 14.000 hatten das Virus, ohne davon zu wissen. Der erste HIV-Test wurde im Januar 1985 in den USA patentiert und wenige Monate später in Deutschland zugelassen.