Lieferengpässe und Depression

Venlafaxin – laut BfArM nicht versorgungsrelevant

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Berlin -

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) protokollierte zum Jour Fixe „Liefer- und Versorgungsengpässe“ Mitte November, dass für den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Venlafaxin kein absoluter Lieferengpass und daher auch kein Versorgungsengpass vorliege – Venlafaxin gehört laut Behörde nicht zu den versorgungsrelevanten Wirkstoffen.

Das BfArM gibt ein regelmäßig überarbeitetes Verzeichnis mit versorgungsrelevanten Wirkstoffen heraus. Die Liste wird aus Vorschlägen der medizinischen Fachgesellschaften und der WHO‐Liste der essentiellen Arzneimittel erstellt. Ein Wirkstoff gilt dann als versorgungsrelevant, wenn er für die Gesamtbevölkerung relevant ist und der Verschreibungspflicht unterliegt. Wirkstoffe mit Orphan-Drug-Status sind daher beispielsweise nicht Bestandteil der Liste.

In der Kurzinformation zum Jour fixe heißt es: „Venlafaxin ist nicht Bestandteil der Liste versorgungsrelevanter Wirkstoffe. Einige Arzneimittel sind nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ein Lieferabriss ist nach Kenntnis des BfArM nicht eingetreten. Die Liefersituation soll bis Ende 2019 verbessert sein, wobei eine umfassende Verfügbarkeit für Ende 1. Quartal 2020 prognostiziert wird.“

Die Behörde verfolgt Lieferengpässe für alle Wirkstoffe, unabhängig davon, ob sie Teil der Liste sind, oder nicht. Im Falle von Venlafaxin kam es bis in den späten Herbst zu neuen Lieferschwierigkeiten. Deren Ende ist laut Informationen der Hersteller voraussichtlich im Februar und März zu erwarten. Von den Engpässen betroffen sind unterschiedliche Hersteller und Wirkstärken. Eine Umstellung auf einen anderen Wirkstoff ist bei Antidepressiva nicht problemlos möglich. Im Falle von Venlafaxin gibt es keinen ähnlichen Wirkstoff – wird ein Patient umgestellt, können schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen eintreten, eine engmaschigere ärztliche Überwachung kann nötig sein.

In der S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ sind zur Prävalenz und Inzidenz folgende Angaben gemacht: „Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression (alle Formen) zu erkranken, liegt national wie international bei 16 bis 20 Prozent. Die Häufigkeit einer unipolaren Depression in der Allgemeinbevölkerung wird in einem Zeitfenster von 12 Monaten auf 7,7 Prozent, die 12-Monatsprävalenz für eine Major Depression auf 6 Prozent und für eine Dysthymie auf 2 Prozent geschätzt. Damit liegt die Anzahl der Betroffenen in Deutschland, die in einem Zeitraum von 12 Monaten an einer unipolaren Depression erkrankt sind, bei circa 6,2 Millionen.“

2018 wurden laut Arzneiverordnungsreport rund 200 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) Venlafaxin verordnet; damit liegt Venlafaxin unter den SSNRI weit vor Duloxetin (80 Millionen DDD) und Milnacipran (3 Millionen DDD). Häufiger eingesetzt werden nur Wirkstoffe aus der Gruppe der SSRI (690 Millionen DDD), darunter Citalopram (260 Millionen DDD), Sertralin (170 Millionen DDD) und Escitalopram (135 Millionen DDD). Trizyklischen Antidrepressiva wie Amitriptylin und Opipramol kommen auf 240 Millionen DDD, Mirtazapin auf 185 Millionen DDD.

Anders ausgedrückt: Mit 2,2 Millionen Verordnungen liegt Venlafaxin auf Platz 52 der 100 verordnungsstärksten Wirksstoffe – vor Wirkstoffen wie Fentanyl, Betamethason und Escitalopram, die alsversorgungsrelevant gelistet sind.

Auch in der WHO-Liste der unverzichtbaren Wirkstoffe ist Venlafaxin nicht zu finden. Unter dem Punkt „Arzneimittel für psychische Störungen und Verhaltensstörungen“ sind folgende Wirkstoffe gelistet: Chlorpromazin, Fluphenazin, Haloperidol, Risperidon, Clozapin, Amitriptylin, Fluoxetin, Carbamazepin, Lithium, Valproinsäure, Diazepam und Clomipramin.

Venlafaxin

Als SSNRI wird Venlafaxin zur Behandlung von Depressionenen und Angststörungen eingesetzt. Nach Beendigung der Einnahme kann es zu Absetzungerscheinungen kommen. Diese können bis zu einem Monat anhalten und in ihrer Stärke variieren.

Absetzungserscheinungen

  • Psychische Veränderungen (Benommenheit, Wahrnehmungsstörungen, Wahnideen, Persönlichkeitsstörungen)
  • Neurologische Störungen (Kopfschmerzen, Geschmacksstörungen, Schwindel, Tremor)
  • Vegetative Störungen (Mundtrockenheit, Schwitzen)

Depression in Deutschland

Aus der neuen EU-Gesundheitsbefragung (Ehis) geht hervor, dass sich die Bundesbürger im Vergleich zur Bevölkerung anderer EU-Staaten stärker von Depressionen belastet fühlen. Demnach kommt eine depressive Gefühlslage mit 9,2 Prozent der Befragten in Deutschland deutlich häufiger vor als im EU-Durchschnitt (6,6 Prozent). Die Quote in Deutschland somit auf dem zweiten Platz der 25 EU-Länder, die bei der Studie mitmachten, nur Luxemburg hat mit 10 Prozent einen noch höheren Wert. Für die Gesundheitsstudie wurden insgesamt mehr als 254.000 Menschen angeschrieben und zu depressiven Symptomen befragt, dazu zählten: Vermindertes Interesse, Appetitverlust, Schlafstörungen, psychomotorische Unruhe, Energieverlust, Wertlosigkeitsgefühle und Konzentrationsprobleme.

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