Valsartan: Runder Tisch mit Patienten und Apothekern Deniz Cicek-Görkem, 16.08.2018 11:04 Uhr
Der Valsartan-Skandal erhitzt seit Wochen die Gemüter. Bei Patienten macht sich Unsicherheit und Ernüchterung breit, das Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem sinkt. Um Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen und Bedenken zum Fall an Experten zu äußern, hat das Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Zusammenarbeit mit der Paracelsus Medizinische Universität und dem Klinikum Nürnberg für den kommenden Montag eine Abendveranstaltung in den Räumlichkeiten des Klinikums Nürnberg organisiert.
Die Experten vor Ort sind der Toxikologe Professor Dr. Ralf Stahlmann von der Berliner Charité, der emeritierte Universitätsprofessor Dr. Theo Dingermann sowie der Pharmakologe Professor Dr. Fritz Sörgel vom IBMP. Die Veranstaltung beginnt um 18.30 Uhr, die erste Stunde ist für die Fragen der Patienten gedacht, im Anschluss soll es Fachgespräche mit Ärzten und Apothekern geben. Sörgel geht davon aus, dass die Veranstaltung etwa um 21 Uhr endet.
Die Veranstaltung ist öffentlich und „hat Modellcharakter”, wie Sörgel kommentiert. Er moniert, dass im Sinne der Patienten zu wenig unternommen wurde – insbesondere seitens der Politik. So wäre es seiner Ansicht nach zu begrüßen gewesen, wenn auf Landesebene eine Hotline eingerichtet würde. Selbst wenn die Leitungen durch die hohe Nachfrage durchgehend besetzt seien, hätte das zumindest eine Signalwirkung und die Patienten hätten sich ernst genommen gefühlt. Aber auch die Industrie habe sich nicht geäußert. Insgesamt sei die Situation für Patienten unbefriedigend.
„Medikamente sind mit einem Heilversprechen verbunden, im Falle von Valsartan ist genau das Gegenteil der Fall”, so Sörgel. Er würde sich wünschen, dass die Politik bei Arzneimitteln mindestens genauso schnell und umfassend agiert wie bei Lebensmitteln, bei deren Skandalen es schneller zu Lösungen komme.
Sörgel hatte sich als einer der ersten Experten zum Valsartan-Fall geäußert. Seit seinem Interview mit APOTHEKE ADHOC war er in zahlreichen Medien präsent. Gut ausgebildete Chemiker hätten die potenzielle Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bei den Synthesen kennen müssen, ist er überzeugt. Auch eine „zufällige” Entdeckung hält er für fragwürdig. Vor allem sollten seiner Meinung nach die Synthesewege vollständig zugänglich gemacht werden. Dadurch könnte auch anderen Wissenschaftlern ein leichterer Zugang zu diesem Wissen ermöglicht und die Forschung vorangetrieben werden. „Der Forschungsstand könnte so klarer definiert werden“, sagte er.
Von den Verantwortlichen, dem Staat und den Krankenkassen, fordert Sörgel Fall-Kontrollstudien. Seiner Ansicht nach hat der Patient als Zuzahler das Recht auf Aufklärung durch eine Studie. Das sei wissenschaftlich machbar, denn Valsartan wurde über Jahre eingenommen und damit sei die zugeführte Menge ersichtlich. Anders als bei Acrylamid in Pommes frites, wo die Leute über Jahre zurück Angaben zum Konsum machen, gegebenenfalls schätzen mussten.
Die „kombinierte“ Veranstaltung in Nürnberg ist in seinen Augen daher hilfreich, um den Status quo bei Patienten und Apothekern zu evaluieren. Dazu soll es Fragebögen geben, bei der Betroffene anonyme Daten unter anderem zu Dauer und Dosis ihres Valsartan-Konsums angeben können. Die Veranstaltung findet statt im Hörsaal im Haus 57 der Paracelsus Medizinische Universität im Geländes des Klinikums, Haltestelle U3 Klinikum oder Nordwestring. Besucher sollen die Hinweisschilder im Klinikum beachten.