In der Vergangenheit wurden Maßnahmen zur Risikominimierung für Valproat-haltige Arzneimittel diskutiert. Durchsetzen konnte sich eine Patientenkarte, die nun bindend für alle Zulassungsinhaber ist und den entsprechenden Packungen beigelegt werden muss. Ein Piktogramm auf der Umverpackung wird dagegen nicht Pflicht. Zu missverständlich schien das Symbol mit der durchgestrichenen schwangeren Frau. In einigen Ländern vermuteten die Patientinnen, Valproat hätte auch eine kontrazeptive Wirkung.
Diskutiert wurde auch das Aufbringen eines Piktogrammes als nonverbale Kommunikation des Risikos. Die Experten erachteten eine Abbildung jedoch als nicht zielführend, denn „je nach soziokulturellem Hintergrund können sich jedoch auch sehr unterschiedliche Interpretation der zu vermittelnden Inhalte ergeben, wie eine Sprecherin des BfArM erklärt.
Dies sei umso problematischer bei der Vermittlung risikorelevanter Informationen wie im konkreten Fall – Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Teratogenität und Entwicklungsstörungen. „In der Vergangenheit wurde zum Beispiel in Brasilien für Thalidomid ein Piktogramm auf die Packungen aufgedruckt“, so die Sprecherin. Das Piktogramm zeigt den Torso einer Schwangeren, der durchgestrichen ist.
„Durch dieses Piktogramm auf der Packung sollte in Brasilien auf das teratogene Risiko und auf die Vermeidung der Anwendung während der Schwangerschaft hingewiesen werden. Durch Fehlinterpretationen wurde dies aber mehrfach als 'Schwangerschaftsverhütungsmittel' gedeutet, weshalb es in Südamerika zu fatalen Fehlbildungen gekommen ist, wie wir sie unter der Anwendung von Contergan in der Vergangenheit gesehen haben.“
Zum aktuellen Zeitpunkt haben unter anderem Italien, Frankreich, Großbritannien und Belgien für Valproat eine Patientenkarte eingeführt. Nun soll sie mit sofortiger Wirkung auch in den auf dem deutschen Markt befindlichen Packungen enthalten sein.
Solange noch nicht alle Originalverpackungen mit der Erinnerungskarte versehen sind, müssen die Hersteller den Ärzten und Apothekern das Dokument zusammen mit einem Informationsbrief auf dem Postweg zukommen lassen. Die Heilberufler können dann die entsprechenden Unterlagen den Patientinnen aushändigen und über die möglichen Risiken aufklären.
Die Beilage soll mit dem Symbol der Blauen Hand versehen sein und folgende Hinweise enthalten:
Ihnen wurde Valproat verschrieben, ein Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie und bipolaren Störungen.
Valproat kann zu schwerwiegenden Entwicklungsstörungen und Missbildungen beim ungeborenen Kind führen, wenn es während der Schwangerschaft angewendet wird.
Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangere, weibliche Jugendliche und Mädchen sollten Valproat nur anwenden, wenn kein anderes Mittel wirksam ist.
Unter dem Punkt „Was Sie tun müssen“, sollen folgende Angaben auf der Karte vorgenommen werden:
Wenden Sie während der Behandlung mit Valproat immer eine wirksame Methode der Empfängnisverhütung an, so dass Sie nicht ungeplant schwanger werden. Bei Fragen zur Schwangerschaftsverhütung wenden Sie sich bitte an Ihren Gynäkologen.
Sprechen Sie immer mit Ihrem Arzt, wenn Sie schwanger werden möchten. Setzen Sie Ihr Verhütungsmittel nicht ab und versuchen Sie nicht schwanger zu werden, bevor Sie mit Ihrem Arzt gesprochen haben.
Informieren Sie sofort Ihren Arzt, wenn Sie schwanger sind oder vermuten, schwanger zu sein.
Beenden Sie die Einnahme von Valproat nur, wenn Ihr Arzt Sie dazu auffordert, da sich Ihr Zustand sonst verschlechtern könnte.
Im Zuge der Neubewertung der bereits bekannten teratogenen Wirkungen sowie der schwerwiegenden Entwicklungsstörungen bei Kindern, die im Mutterleib Valproat-haltigen Arzneimitteln ausgesetzt waren, wurde entschieden: Die Medikamente dürfen bei Schwangeren, weiblichen Jugendlichen und Frauen im gebärfähigen Alter nur noch zur Behandlung von Epilepsien und manischen Episoden bei bipolaren Störungen angewendet werden, wenn andere Arzneimittel nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
Zur Risikoneubewertung wurden 2014 Daten herangezogen, die aufzeigten, dass Kinder mit Valproat-Exposition im Mutterleib ein erhöhtes Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung und Kindheitsautismus haben als jene, deren Mütter das Arzneimittel nicht einnahmen. Weitere, jedoch begrenzte Daten zeigten eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu erkranken. Etwa 40 Prozent der Vorschulkinder, die Valproat im Mutterleib ausgesetzt waren, wiesen zudem Verzögerungen in der Entwicklung auf.
Der Intelligenzquotient lag bei Kindern im Schulalter bis zu zehn Punkte unter denen der Kinder, die anderen Antiepileptika ausgesetzt waren. Nach dem dem jüngsten Valproat-Skandal in Frankreich hatte die EMA erneut das Nutzen-Risiko-Profil geprüft.
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