Vaginale Geburt bietet Vorteil Sandra Piontek, 25.11.2022 14:59 Uhr
Babys, die mit einer vaginalen Geburt zur Welt kommen, haben einen deutlichen Vorteil gegenüber Kaiserschnitt-Babys: Ein gesundes Mikrobiom und vor allem die Immunantwort bei späteren Impfungen sind signifikant besser ausgeprägt. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie könnten folglich Anstoß einer Entwicklung von speziellen Programmen sein: Diese tragen zum Aufbau der Darmflora von Sectio entbundenen Säuglingen bei.
Ein gesundes Mikrobiom im Darm steht für ein starkes Immunsystem. Für die ersten Immunisierungen im Säuglings- und Kindesalter ist dies relevant für eine starke Immunantwort. Wie eine aktuelle Studie nun zeigt, entwickeln vaginal geborene Babys deutlich mehr Antikörper nach Impfungen gegen Pneumokokken und Meningokokken als ihre Altersgenossen, die per Kaiserschnitt zur Welt kamen. Emma de Koff vom Universitätsklinikum Utrecht untersuchte anhand von 120 Stuhlproben von Neugeborenen, wie stark die Geburtsmethode sowie das Darmmikrobiom die Immunantwort auf Impfungen beeinflussen. Zusätzlich prüfte sie Speichelproben der Kinder, die zwölf und 18 Monate nach zwei Erstimmunisierungen entnommen wurden:
- Pneumokokken 1. Dosis im zweiten Lebensmonat, 2. Dosis im elften Lebensmonat
- Meningokokken 14. Lebensmonat
Bakterienbesiedlung beeinflusst Immunantwort
„Eine vaginale Geburt ist mit höheren Antikörperspiegeln in Reaktion auf die beiden Impfungen assoziiert“, berichten die Autor:innen der Studie. Erklärt wird dies, durch die höhere Besiedlung von bestimmten Bakterien in den ersten Lebenswochen. Im Darm der vaginal geborenen Babys konnten deutlich mehr Bifidobakterien sowie Escherichia coli gefunden werden als bei den Kaiserschnitt-Babys. Trotz der Angleichung der Darmflora mit fortschreitendem Alter der Kinder, stellten die Forscher:innen fest, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Impfreaktion und der Bakterienbesiedlung in der ersten Woche nach der Geburt gibt.
Höhere Antikörperwerte
„Die ersten Lebenswochen stellen ein kritisches Zeitfenster dar, in denen das Mikrobiom im Darm die Reifung des Immunsystems prägt“, erklärt de Koff. Sei die Darmflora durch einen Kaiserschnitt ungünstig aufgebaut, so habe das noch Monate später einen Einfluss auf die Antikörperbildung nach Impfungen. Auch das Stillen spiele dabei eine entscheidende Rolle: Vaginal geborene Kinder, die gestillt werden, weisen 3,5-mal höhere Antikörperwerte auf als Babys, die per Flaschennahrung gefüttert werden.
Inwieweit die unterschiedlichen Antikörperspiegel im Speichel darauf schließen lassen, dass Kaiserschnitt-Kinder womöglich weniger gut gegen verschiedene Krankheiten geschützt seien, lasse sich aus der aktuellen Studie allerdings nicht ableiten, die untersuchten Fallzahlen seien zu gering.
Fettleibigkeit und Diabetes
Die Idee, dass der Geburtsvorgang die Gesundheit des Kindes beeinflussen könnte, ist nicht neu. Vor allem im Jahr 2010 gewann sie an Bedeutung. Damals beobachtete die Mikrobiomforscherin Maria Gloria Dominguez Bello von der Rutgers University in New Brunswick, dass Kaiserschnittbabys eine andere Bakterienzusammensetzung haben als vaginal Geborene. Zudem ergaben bereits mehrere Studien, dass die im OP geholten Babys später anfälliger sind für Fettleibigkeit und Immunkrankheiten wie Diabetes.
In Schweden begannen Forscher:innen im Team des Gastroenterologen Lars Engstrand vom Karolinska-Institut in Stockholm, vor etwa zwei Jahren mit einem Experiment, indem sie 100 Kaiserschnittkinder mit vaginalen und analen Bakterien ihrer Mütter abtupften. Ziel der Studie ist es, den Einfluss auf Krankheiten wie Asthma und Dermatitis zu ergründen.