Will ein Hersteller sein OTC-Präparat ausnahmsweise von den Krankenkassen erstatten lassen, muss er zunächst am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorbei. Der entscheidet darüber, ob ein Arzneimittel auf die Ausnahmeliste kommt. Dafür müssen die Hersteller zahlen - im Zweifel auch doppelt. Denn wenn der G-BA den Antrag ablehnt, der Hersteller Widerspruch einlegt erneut eine Abfuhr erhält, muss er erneut eine Gebühr zahlen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) nun bestätigt.
In dem Fall wollte ein Hersteller 2007 zwei Präparate auf die Ausnahmeliste bringen. Dafür wurden zunächst 10.394 Euro fällig. Als der G-BA die Aufnahme der Arzneimittel ablehnte, legte der Hersteller Widerspruch ein. Der G-BA prüfte erneut und bestätigte seine erste Entscheidung. Der Hersteller erhielt eine zweite Rechnung in Höhe von 10.394 Euro. Gegen diese Gebühr klagte das Unternehmen.
Bereits vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) bekam der G-BA im vergangenen Jahr recht. Der Hersteller ging in Revision und kassierte vor dem BSG die nächste Schlappe.
Die Richter bestätigten die Einschätzung der Vorinstanz: Die Gebührenordnung des G-BA sehe eine zweite Gebühr für den Fall vor, dass ein Widerspruch abgewiesen werde. Diese Gebührenordnung stütze sich auf das Sozialgesetzbuch (SGB V), in dem es heißt: „Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben.“
Über diese Formulierung im SGB V wurde gestritten. Aus Sicht des G-BA gliedert sich das Verwaltungsverfahren in ein Ausgangs- und ein Widerspruchsverfahren, für die beide Gebühren erhoben werden könnten. Aus Sicht des Herstellers bezieht sich die Regelung im SGB V eindeutig nur auf das Antrafsverfahren. Der G-BA dürfe also für das Widerspruchsverfahren keine Gebühren erheben.
Das BSG wandte zwar ein, dass der Wortlaut nicht eindeutig sei. Die „Interpretationsbedürftigkeit des Wortlauts“ belege aber keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Um den Anforderungen zu genügen, reiche es aus, dass hinreichend Klarheit darüber gewonnen werden könne, welche Gebührenzwecke der Gesetzgeber verfolge. „Das ist hier der Fall“, so die Richter mit Blick auf die Kostendeckung.
Bei dem Widerspruchsverfahren handele es sich nicht um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren, so die Richter. Aber: „Aus der rechtlichen Einheit von Ausgangs- und Widerspruchsverfahren folgt nicht, dass für beide Verfahren nur eine Gebühr erhoben werden darf“, so die Richter.
Es sei die Intention des Gesetzgebers, das Verfahren insgesamt kostendeckend durchzuführen. „Wenn der Gesetzgeber die Erhebung von Gebühren für das Antragsverfahren zwingend vorschreibt und als Zweck angibt, der G-BA solle in die Lage versetzt werden, das Verwaltungsverfahren kostendeckend durchzuführen, kann dies nur so verstanden werden, dass auch für das Widerspruchsverfahren Gebühren zu erheben sind“, heißt es in dem Urteil.
Die Kosten könnten entweder auf alle Antragsteller umgelegt werden oder von einzelnen Herstellern gesondert erhoben werden. Das zweite Verfahren sei „wenn nicht rechtsstaatlich geboten, so doch jedenfalls sachgerecht“, so die Richter. Die Gebühren verstießen auch nicht gegen Europarecht.
Der Hersteller hatte argumentiert, die Gebühren würden nicht von einer EU-Richtlinie gedeckt, deren Sinn und Zweck es sei, die Kosten für Arzneimittel zu senken und ausreichend Anreize zu schaffen, dass Hersteller neue und innovative Arzneimittel auf den Markt bringen. Ein solcher Anreiz werde nicht gesetzt, wenn Hersteller, die sich gegen einen Ablehnungsbescheid wehrten, gesondert Bestrafungsgebühren zahlen sollten. Dem folgten die Richter nicht: „Dass eine Gebühr in der hier festgesetzten Höhe die Preisgestaltung für ein Arzneimittel beeinflusst und damit Innovationen verhindert, ist im Übrigen nicht nachvollziehbar.“
Die wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung, ein Arzneimittel in die OTC-Ausnahmeliste aufzunehmen, sei für die Hersteller erheblich – die Verwaltungsgebühr von rund 10.000 Euro stehe in keinem Missverhältnis. Somit seien weder eine Abschreckungswirkung nch ein Strafcharakter erkennbar.
Auch die vom Hersteller kritisierte Höhe der Gebühr nickte das Gericht ab: Die vom G-BA vorgebrachte Darstellung, dass durchschnittlich ein Referent, zum Beispiel ein Apotheker, zwölf Tage, ein Sachbearbeiter und ein juristischer Mitarbeiter jeweils vier Tage und ein Mitarbeiter des Sekretariats im Justiziariat zwei Tage mit einem Antrag beschäftigt seien, hielt das BSG für „nicht erkennbar unvertretbar“. Zu den Personalkosten in Höhe von knapp 7000 Euro kommen demnach Sachkosten in Höhe von rund 3400 Euro.
Schließlich verweist das BSG auf den Umfang der Widerspruchsbegründung: Der Hersteller habe sich immerhin mit nahezu allen Punkten des Bescheids detailliert auseinandergesetzt und eine elfseitige Stellungnahme zweier Mediziner vorgebracht, die 52 Literaturstellen enthielt. Mit diesem Material habe sich der G-BA in der 22-seitigen Begründung intensiv auseinandergesetzt und zu jedem Vorbringen Stellung genommen.
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