BfArM, G-BA und BMG: Der deutsche Verwaltungsapparat stellt die Apotheker in diesen Wochen auf die Geduldsprobe. Über die Arzneimittelsicherheit entscheiden Anwaltsschreiben, die Aut-idem-Liste wird zum Schnellschuss und die „Pille danach“ hat anscheinend niemand auf dem Schirm. Behörden und Beamte scheinen von den Vorgaben überfordert, die sie sich für die Apotheker ausgedacht haben.
Ende November hatte sich die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für die Freigabe von EllaOne (Ulipristal) ausgesprochen. Dass die EU-Kommission zu einer anderen Einschätzung kommen würde, erwartete eigentlich niemand. Selbst Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der bis dahin Gesetze blockiert und damit seine moralischen Bedenken sogar über sein Amt gestellt hatte, knickte prompt ein.
Allzu viel passiert ist seitdem nicht. Zwar kündigte Gröhe an, sich mit Frauenärzten, Apothekern und Behördenvertretern an einen Tisch zu setzen, um „gemeinsam Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung zu entwickeln“. Noch Anfang der Woche erklärte das BMG aber auf eine kleine Anfrage der Linken, dass bislang keine Gespräche stattgefunden hätten und dass man zunächst die Entscheidung aus Brüssel abwarten werde. Deshalb habe man sich noch keine Gedanken über Preise, Werbung und Erstattungsfähigkeit gemacht.
Diese Haltung überrascht schon deswegen, weil Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) in demselben Schreiben einräumt, dass es keine Fristen zur Übertragung in nationales Recht gebe. Als gestern Abend – vielleicht überraschend früh, aber erwartbar eindeutig – grünes Licht aus Brüssel kam, rauchten in Berlin und Bonn plötzlich die Köpfe, wie denn mit der neuen Lage umzugehen sei.
Schon als Celesio ab 2006 für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes lobbyierte, war die unmittelbare Wirksamkeit von EU-Recht ein Argument: Wenn der Gesetzgeber nicht mit einer eigenen Regelung vorsorgte, könnten nach einem entsprechenden EuGH-Urteil plötzlich unkontrolliert Apotheken eröffnen, mahnte man damals in Stuttgart. „Regulierte Deregulierung“, lautete die Devise. Das Wildwest-Szenario war freilich bewusst überzogen – und bekanntlich kam es ohnehin anders als gedacht.
Bei EllaOne sind unmittelbar auch Patientinnen betroffen. Umso verwerflicher ist die Verzögerungstaktik des BMG. Gröhe hätte wissen müssen, dass er bei der EU-Entscheidung nichts zu sagen und auch bei Levonorgestrel die Mehrheit gegen sich hat. Ein starker Minister hätte das Thema angepackt und nicht ins neue Jahr verschoben. So trifft die Freigabe die Apotheken unvorbereitet, was vor allem am Laissez-faire des verantwortlichen Gesundheitsministers liegt.
Dabei gibt es im EU-Recht sogar einen Passus, der nationale Sonderregelungen erlaubt. Gröhe hätte über diesen Hebel den Switch zügig in geordnete Bahnen lenken können. Nun ist unklar, ob die bestehenden Vorgaben weiter gelten oder nicht. Im BMG, wo man jedes Wort auf die Goldwaage legt und sooft es geht unverbindlich bleibt, sucht man jetzt nach einer Lösung.
Und Gröhe? Der ist wieder einmal anderweitig beschäftigt: Heute hatte er die Sternsinger im Haus, die Tage davor war er in NRW bei Parteifreunden und Unternehmen auf Stippvisite.
APOTHEKE ADHOC Debatte