Umstritten: Metformin in der Schwangerschaft Alexandra Negt, 06.10.2020 15:02 Uhr
Zur Metformin-Einnahme in der Schwangerschaft liegen unzureichende und widersprüchliche Studienergebnisse vor. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Metformin positive Auswirkungen auf den mütterlichen Glukosestoffwechsel und das neonatale Gewicht des Säuglings hat. Dennoch gilt weiterhin die Empfehlung: Frauen mit Diabetes Typ-2 sollten eine Schwangerschaft planen und auf Insulin umgestellt werden.
Die Zuckerkrankheit ist eine der am häufigsten vorkommenden Stoffwechselerkrankungen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) leiden rund 4 Prozent der 18- bis 39-jährigen Frauen in Deutschland an einem Diabetes-Typ-2. Somit spielt die Erkrankung auch bei Frauen mit Kinderwunsch eine Rolle. Der sogenannte Gestationsdiabetes muss hierbei bezogen auf die Art der Behandlung gesondert betrachtet werden. Ein Schwangerschaftsdiabetes bildet sich, anders als der Typ-2-Diabetes, nach der Schwangerschaft normalerweise zurück. Die temporäre Erkrankung steigert jedoch das Risiko für die spätere Entwicklung eines chronischen Typ-2-Diabetes.
Unzureichende Studienlage
Zum Einsatz von Metformin während der Schwangerschaft liegen zahlreiche Studien und Untersuchungen mit einer großen Anzahl an Frauen vor. Dennoch ist die Sicherheit der Therapie nicht vollständig geklärt. Über 1000 Schwangerschaftsverläufe zeigten keine Anhaltspunkte für Teratogenität. Nach dem aktuellen Kenntnisstand zeigt Metformin auch keine fetotoxischen Eigenschaften. Der Arzneistoff ist in allen Trimena gut untersucht. Zu den drei häufigsten Behandlungsindikationen in der Schwangerschaft gehören der Gestationsdiabetes, der vorbestehende Diabetes und das polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS). Eine großangelegte Subgruppenanalyse nach Indikation zeigte jedoch auch, dass Metformin bei bestehendem Typ-2-Diabetes die Risiken für Fehlbildungen, Spontanaborte und Frühgeburten steigern kann.
Aktuelle Studie
Kanadische Wissenschaftler des Canadian Institutes of Health Research (CIHR) haben aktuelle Studienergebnisse zur Metformin-Einnahme während der Schwangerschaft im Vergleich zu Placebo im Fachjournal „Lancet Diabetes and Endocrinology“ publiziert. Die Forscher untersuchten die Auswirkungen einer zusätzlichen Gabe von Metformin zur Standard-Insulintherapie. Die Wissenschaftler vertraten die Annahme, dass Schwangere weder mit einer Mono-Insulin-Therapie noch mit einer Mono-Metformin-Therapie ausreichend behandelt sind. Die randomisierte, kontrollierte, doppelt verblindete und placebokontrollierte Studie schloss 502 Frauen mit ein. Diese wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Es wurden nur Frauen mit Einzelschwangerschaften miteingeschlossen. Vor Studienbeginn wurde der Body-Mass-index (BMI) bestimmt.
Ergebnisse
Die Frauen der Metformingruppe wiesen insgesamt eine bessere Blutzuckerkontrolle auf. Der Insulinbedarf der Schwangeren war geringer als der in der Placebogruppe. Auch das Gewicht der Frauen war unter der Metformineinnahme stabiler. Im Mittel nahmen sie zwei Kilogramm weniger zu. Auch die Kaiserschnittrate sank unter der Einnahme des oralen Antidiabetikums. Darüber hinaus wurde das Gewicht des Neugeborenen gesenkt – im Mittel um 218 Gramm. 12 Prozent der Metformin-exponierten Babys wogen bei der Geburt über 4000 Gramm. Bei den Placebo-exponierten Säuglingen waren es 19 Prozent. Auch die mittlere Fettmasse des Neugeborenen war reduziert. Das Biguanid zeigte auch Auswirkungen auf die Größe des Neugeborenen: So waren 13 Prozent der Metformin-exponierten Säuglinge zu klein für ihr Gestationsalter. Bei den Placebo-exponierten Säuglingen waren es 7 Prozent.
Insulin als Therapie der Wahl
Bei geplanter Schwangerschaft sehen die Therapieempfehlungen eine Umstellung auf Humaninsulin bereits vor Schwangerschaftseintritt vor. Laut Medizinern stellt Metformin nur in ausgewählten Einzelfällen eine alternative Therapieoption dar. Hier sollte das Biguanid primär bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikerinnen eingesetzt werden. In der Leitlinie „Diabetes und Schwangerschaft“ heißt es: „Insulin ist derzeit die einzige medikamentöse Therapieoption bei diabetischen Schwangerschaften.“ Bezogen auf die Initialdosis heißt es weiterhin: „Bei der Umstellung von oraler antidiabetischer Therapie auf Insulintherapie bei Planung der Schwangerschaft kann als Orientierungshilfe mit 0,3 bis 0,5 I.E./kg Körpergewicht als Gesamtinsulindosis begonnen werden.“ Unterdosierungen von Insulin sollen vermieden werden.
Schwangerschaft planen
Patientinnen mit bekanntem Diabetes mellitus sollten über das deutlich erhöhte Risiko für fetale Fehlbildungen unterschiedlichster Art aufgeklärt werden. Die Zuckerkrankheit kann, insbesondere bei unzureichender Einstellung, das Risiko für Neuralrohrdefekte und Herzfehler erhöhen. Hierbei besteht das Fehlbildungsrisiko für Typ-1- und Typ-2-Diabetes gleichermaßen. Frauen mit Diabetes und Kinderwunsch ist demzufolge eine Optimierung der Stoffwechseleinstellung zu empfehlen. Die rechtzeitige Einnahme von Folsäure kann das Risiko für Fehlbildungen verringern. Eine tägliche Einnahme von Folsäure in Dosierungen von 0,4 Milligramm pro Tag bis zum Ende des ersten Trimenons reduziert nachgewiesenermaßen das Risiko für Neuralrohrfehlbildungen um bis zu 60 bis 70 Prozent.