Typ-2-Diabetes

Metformin: Neuer Wirkmechanismus entdeckt APOTHEKE ADHOC, 24.05.2016 14:13 Uhr

Berlin - 

Metformin ist eines der wichtigsten Medikamente zur Behandlung des Typ-2-Diabetes und wird seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Es hemmt in der Leber die Neubildung von Glukose, senkt den Blutzuckerspiegel, dämpft das Hungergefühl und hilft damit sogar abzunehmen. Nun wurde ein möglicher neuer Wirkmechanismus des bewährten Medikaments entdeckt: Es beeinflusst die Darmflora positiv. 

Beim Typ-2-Diabetes kommt es zu ungünstigen Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien, die durch Metformin zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Andererseits werden dem Medikament aber auch Nebenwirkungen wie Blähungen und Durchfall zugeschrieben. Die neuen Erkenntnisse, wie die Darmflora Stoffwechsel und Hormone beeinflusse, ermöglichten neue Ansätze für eine schonende Behandlung des Diabetes, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

„Wir setzen Metformin sehr häufig ein, weil es den Blutzucker auf schonende Weise senkt und die Patienten nachweislich vor Komplikationen der Erkrankung schützt“, sagt Professor Dr. Matthias Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin in Mainz. Metformin gehört außerdem zu den Medikamenten, die keine gefürchteten Unterzuckerungen auslösen und nicht zu einer Gewichtszunahme führen.

„Bei den häufig übergewichtigen Diabetespatienten ist dies ein erwünschter Begleiteffekt“, so Weber. Viele Patienten nehmen nach Behandlungsbeginn etwas ab, was die Akzeptanz der Erkrankung und die Motivation zur Einnahme von Medikamenten fördere. Die blutzuckersenkende Wirkung von Metformin wird in erster Linie auf eine Hemmung der Blutzuckerneubildung in der Leber zurückgeführt.

Neue Untersuchungen deuten jetzt darauf hin, dass Metformin seine positiven Wirkungen zumindest zum Teil durch einen bisher unbekannten Wirkmechanismus über die Beeinflussung der Darmflora vermitteln. Das zeigt eine kürzlich im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Arbeit. Forscher aus China, Dänemark und Schweden analysierten Stuhlproben von 784 Menschen.

Die Forscher untersuchten dabei Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmbakterien zwischen Nicht-Diabetikern und Diabetikern, die bisher noch nicht mit einem antidiabetischen Medikament behandelt wurden. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes fand sich dabei neben einer reduzierten Vielfalt von Bakterien insbesondere ein Rückgang von Keimen, die kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure oder Propionsäure bilden. Diese Fettsäuren werden vom Darm aufgenommen und vom Körper verwertet.

„Dies hat normalerweise einen günstigen Einfluss auf den Blutzucker“, erläutert Professor Dr. Günter Stalla, Leiter der Inneren Medizin, Endokrinologie und Klinischen Chemie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie München. „Der Mangel an diesen Bakterien könnte deshalb die Blutzuckerstörung beim Typ-2-Diabetes verstärken.“

Metformin kann diese Entwicklung nach den Ergebnissen der Analyse teilweise rückgängig machen. „Die Studie zeigt, dass die Behandlung mit Metformin die Produzenten kurzkettiger Fettsäuren im Darm fördert“, so Stalla. Es sei durchaus möglich, dass diese Wirkung im Darm einen Teil der Blutzuckersenkung durch Metformin ausmache und zu den vielfältigen positiven Wirkungen des Medikaments beitrage.

Allerdings fördert Metformin auch die Vermehrung von Escherischia coli. Das führt häufig zu Verdauungsbeschwerden. „Es kommt zu einem Ungleichgewicht der Darmflora, das für die Blähungen und andere Darmbeschwerden mitverantwortlich sein könnte. Darüber klagen viele Patienten mit Typ-2-Diabetes unter der Behandlung mit Metformin “, so Stalla. „Wir müssen jetzt nach Wegen suchen, um die ungünstigen Auswirkungen von Metformin zu hemmen, ohne die günstige Wirkung zu schwächen.“

Ein denkbarer Weg könnte die Behandlung mit probiotischen Bakterien sein. Diese Bakterien müssten so ausgesucht werden, dass sie die E. coli verdrängen, ohne die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren zu behindern. Derzeit sind allerdings keine Mittel bekannt, die dies leisten. Stalla hofft, dass eines Tages beispielsweise Spezial-Joghurts zur Verfügung stehen, die die Behandlung mit Metformin für alle Patienten verträglich machen können.