Früher und individueller

Tumorkachexie – Ernährung im Fokus

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Berlin -

Die meisten Krebskranken kennen den begleitenden Gewichtsverlust. Dieser hat unterschiedliche Gründe. Neben dem erhöhten Energiebedarf des Tumors tragen Chemotherapeutika dazu bei, dass Erkrankte ihren Appetit verlieren. Frühzeitig angefangen lässt sich der Gewichts- und Muskelverlust gut behandeln oder vermeiden. Doch in Deutschland ist beim Thema Tumorkachexie noch Luft nach oben, da sind sich die Onkologen einig. Apotheker:innen und PTA können einen entscheidenden Beratungsbeitrag leisten.

Am Anfang der Tumorkachexie steht die Mangelernährung. Gleichzeitig beginnt der Abbau von Fett- und vor allem Muskelmasse. Dadurch verändert sich die Stoffwechselleistung des gesamten Organismus. Über zehn Prozent der Krebspatient:innen kommen in den Teufelskreis der Tumorkachexie. Bei einigen Tumorarten kommt es häufiger zu dem Krankheitsbild als bei anderen. Das hängt vor allem von der Stärke und Ausprägung der durch den Tumor ausgelösten chronischen Entzündung ab, diese führt zu einer dauerhaft gesteigerten Stoffwechselaktivität. Zum Thema „Was tun bei krebsbedingter Mangelernährung?“ hat Professor Dr. Martin Smollich beim Pharmazeutischen Kongress im Rahmen der Interpharm einen Vortrag gehalten.

Durch den Tumor selbst, aber auch durch die Therapie kommt es somit zum einen zur systemischen Inflammation, aber auch zur reduzierten Energiezufuhr und zu Fatigue. Die freigesetzten Zytokine beeinflussen den Stoffwechsel und die Hormonausschüttung. Es kommt zum gesteigerten Abbau von Muskelmasse, ohne das der Patient/die Patientin ein Hungergefühl erlebt. Oftmals führen die Zytostatika darüber hinaus zu gastrointestinalen Beschwerden oder einer ausgeprägten oralen Mukositis, so dass die Erkrankten die Lust am Essen verlieren. Innerhalb der Beratung muss häufig vor allem den Angehörigen erklärt werden, das der Patient/die Patientin sich nicht absichtlich weigert zu essen, oder zu wenig essen, sondern das Gesamtbild der Erkrankung zu dem Gewichtsverlust und dem daraus resultierenden schlechteren Allgemeinzustand führt.

Drei Begriffe, die in diesem Zusammenhang oft parallel verwendet werden, können im Beratungsgespräch – egal ob mit dem/der Betroffenen selbst oder mit Angehörigen – erklärt werden. Zum einen kann der/die Betroffene unter Anorexie leiden. Diesen Begriff kennt man eher von magersüchtigen Menschen, hier wird jedoch von Anorexia nervosa gesprochen. Doch der Begriff allein bedeutet nur Appetitverlust. Dazu kommt der Begriff der Sarkopenie – hierunter versteht man den progressiven Verlust von Muskelmasse. Dieser Verlust geht soweit, dass es zu Funktionseinbußen kommt. Der dritte Begriff ist die Tumorkachexie. Hierunter versteht man einen ungewollten Gewichtsverlust von mehr als 5 prozent des Körpergewichtes innerhalb der letzten sechs Monate. Gleichzeitig können die CRP-Werte erhöht und die Albuminwerte erniedrigt sein.

Das Problem des Gewichtsverlustes sollte unbedingt in den Fokus rücken. Die Vermeidung einer Tumorkachexie ist wichtig, da sie die Gesamtprognose stark verschlechtert. Onkologen berichten, dass das Angebot der enteralen oder parenteralen Ernährung nicht oft und vor allem nicht früh genug gemacht wird. Die Chancen, die durch eine frühzeitig eingeleitete Ernährungsberatung mit Trinknahrung oder TPN (totale parenterale Ernährung) entstehen seien auch unter Medizinern noch nicht immer bekannt.

Hinzu kommt, dass nur optimal ernährte Patient:innen auch die Therapie erhalten können, die sie benötigen um gesund zu werden. Dass übergewichtige Patient:innen generell eine bessere Prognose bei einer onkologischen Erkrankung haben ist ein Irrglaube. Fett ist stoffwechselträges Gewebe. Es trägt nicht zur Aufrechterhaltung der Muskelmasse oder der Stoffwechsellage bei. Noch dazu kommt, dass übergewichtige Personen meist höhere Dosen an Zytostatika erhalten, da diese oft nach der Körperoberfläche abrechnet werden. Ein mehr an Wirkstoff bedeutet unter Umständen auch mehr Nebenwirkungen.

Da zum Zeitpunkt der Diagnose häufig schon eine Präkachexie vorliegt, sollten alle onkologischen Patient:innen initial auf ihren Ernährungszustand hin untersucht werden. Die eigenständige Supplementierung von nahrungsergänzungsmitteln sollte unterlassen werden. Erachtet der Arzt/die Ärztin die Einnahme gewisser Vitamine oder Mineralstoffe aufgrund eines Blutbildes oder durch die Einnahme einzelner Wirkstoffe als sinnvoll kann die Apotheke ein geeignetes Präparat empfehlen. Krebspatient:innen sollten frühestmöglich von einer Ernährungsfachkraft begleitet werden. Auch in der Apotheke können Ernährungsberatungen angeboten werden.

Ganz wichtig: Eine Krebserkrankung bedeutet nicht, dass man eine 180-Drehung beim Thema Ernährung machen muss. Viele Betroffene neigen dazu Lebensmittel wie Weißmehl oder Fleisch komplett von ihrem Speiseplan zu streichen. In vielen Foren wird eine zuckerfreie Ernährung angepriesen. Dabei ist es vor allem wichtig, dem Körper eine abwechslungsreiche Ernährung anzubieten. Allgemeine Diätregeln können beim onkologischen Patienten nicht angewendet werden. Ob nun mehr oder weniger Proteine, eine gesteigerte oder gedrosselte Zuckerzufuhr – das alles hängt am Ende auch von der Tumorart und dem Allgemeinzustand des Patienten/der Patientin ab.

 

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