Tumore identifizieren mit Zuckermolekülen Deniz Cicek-Görkem, 17.08.2017 09:50 Uhr
Aus bisherigen Studien ist bekannt, dass das Immunsystem den Tumor erkennen kann, wenn das Tumorprotein Galectin-1 gehemmt wird. Forscher der Universität Würzburg haben nun ein komplexes Kohlenhydrat synthetisiert, das spezifisch an das Protein andockt. Dies könnte in der Frühdiagnostik und in der Bekämpfung von Krebszellen von Nutzen sein.
Galectin-1 ist ist ein Protein mit einer erhöhten Affinität für Zucker mit einer β-Galactose-Struktur, beispielsweise N-Acetyllactosamin (Galβ1-3GlcNAc oder Galβ1-4GlcNAc). Diese Kohlenhydrate können im Sinne einer N-Glykosylierung an die Aminogruppe des Proteins angehängt werden. Weiterhin ist auch eine O-Glykosylierung möglich, bei der das Zuckermoleküle an Hydroxygruppen andockt, so dass sich folglich eine Etherbindung ausbildet.
Das Protein sitzt auf der Oberfläche von gesunden humanen Zellen; es kommt allerdings auch unter anderem im Zellkern und im Extrazellulärraum vor. Da man in Krebszellen eine erhöhte Expression dieser Strukturen findet, könnte es sich als Target für die Diagnostik und Therapie von Tumoren eignen. „Es ist unter anderem bekannt, dass Galectin-1 die Tumorzellen vor dem Immunsystem versteckt“, erklärt Professor Dr. Jürgen Seibel vom Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg.
Die im Fachjournal „ChemBioChem“ veröffentlichte Studie zeigt, wie Seibel und sein Kollege Dr. Clemens Grimm das Zuckermolekül mit einer Andockstelle designt haben. Der Focus der beiden Forscher lag dabei auf der Kohlenhydrat-Erkennungsdomäne. Sie führten eine Alkin-Gruppe an die 3‘-Hydroxygruppe des Zuckers ein. Die entwickelte Struktur passte den Ergebnissen zufolge wie maßgeschneidert auf diese Domäne.
„Wir haben das Zuckermolekül mit einer Andockstelle versehen, um es zum Beispiel mit einem fluoreszierenden Farbstoff oder einem Wirkstoff verbinden zu können“, sagt Seibel. Weiterhin wird in der Studie die Bindung des synthetisierten Moleküls an Galectin-1 mit hoch auflösenden Röntgenstrukturanalysen detailliert charakterisiert. „Unsere Erkenntnisse können der Entwicklung von hoch affinen Liganden des Proteins Galectin-1 und somit auch neuer Arzneistoffe dienen“, so Grimm.
Als nächsten Schritt soll nun ein Schnelltest entwickelt werden, der das Tumorprotein Galectin-1 nachweist. Ziel sei die frühzeitige Erkennung von Tumoren wie beispielsweise dem Neuroblastom, eine bösartige Erkrankung des sympathischen Nervensystems, die vor allem im frühen Kindesalter auftritt. Künftig möchte die Arbeitsgruppe um Seibel die entwickelten Kohlenhydrate zu einer Art „Shuttlesystem“ optimieren, mit dem sich Wirkstoffe direkt zu den Geschwulsten befördern lassen.
Galectine sind insbesondere in den vergangenen Jahren als potenzielle Zielstrukturen in den Fokus der Krebsforschung gerückt, da sie die Progression der Tumore modulieren. Neben dem Einfluss auf Immunzellen hat Galectin-1 beispielsweise weitere Funktionen wie Hemmung der Mastzelldegranulation und Reduktion von akuten Entzündungsreaktionen.