Tuberkulose kostet jährlich das Leben von etwa 1,5 Millionen Menschen weltweit. Die Behandlung wird vor allem durch multiresistente Erreger erschwert. Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie-Hans-Knöll-Instituts (HKI) testen nun einen neuen Wirkstoffkandidaten am Menschen. Nach eigenen Angaben ist es das erste in Deutschland entwickelte Antibiotikum gegen die gefürchtete Infektionskrankeit.
Tuberkulose (TB) ist eine weltweit verbreitete Krankheit. Im aktuellen Tuberkulose-Report der WHO wird geschätzt, dass im Jahr 2016 10,4 Millionen Menschen daran erkrankt sind. Insgesamt rund 1,7 Millionen Personen sind im selben Jahr an TB gestorben. Zum einen ist die korrekte Diagnose der Erkrankung schwierig. Zum anderen tragen auch Antibiotikaresistenzen dazu bei, die sich bei der TB mittlerweile ausgebildet haben. Denn der Erreger hat mehrere Eigenschaften, die ihm helfen, die eingesetzten Antibiotika unwirksam zu machen, beispielsweise Undurchlässigkeit der wachsartigen Zellwand, Effluxpumpen und Proteinmutationen.
Der in Jena am HKI entdeckte Wirkstoff namens BTZ043 soll auch gegen multiresistente Erreger wirksam sein. Die neue Substanz gehört einer neuen Klasse von Antibiotika an und ist chemisch bei den Benzothiazinonen (BTZ) einzuordnen, die die Decaprenyl-Phosphoribose-Epimerase (DprE1) hemmen. „Der Wirkstoff bindet irreversibel an ein Enzym, das zum Aufbau der Bakterienzellwand gebraucht wird“, erklärt Dr. Florian Kloß, Leiter der Transfergruppe Antiinfektiva im Rahmen des Konsortiums InfectControl 2020 am HKI. „Dieses Enzym kann dadurch nicht mehr arbeiten, in den Zellwänden der Mykobakterien entstehen Löcher und sie laufen aus“, ergänzt DZIF-Wissenschaftler Professor Dr. Michael Hoelscher, Direktor des Tropeninstituts der LMU München. Dieser Angriff auf die Tuberkuloseerreger sei so gezielt, dass nur die Erreger, nicht aber andere Bakterien bekämpft werden.
Am Studienzentrum der Firma Nuvisan in Neu-Ulm sollen nun bis zu 40 freiwillige Teilnehmer den Wirkstoff BTZ043 erhalten. „Wir wollen sicherstellen, dass das Medikament im Körper aufgenommen und gut vertragen wird. Hierzu wird eine sehr geringe Dosis einmalig verabreicht, die dann bei den nächsten Probanden Schritt für Schritt erhöht wird“, erklärt Hoelscher das Vorgehen. Ziel der Studie sei es, die Dosierung zu erreichen, die im Tiermodell eine gute Wirksamkeit gezeigt habe. Diese wirksame Dosis liege weit unter der Höchstmenge, die die Tiere noch gut vertragen haben.
Als Tuberkulose werden Erkrankungen bezeichnet, die durch Erreger des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes hervorgerufen werden. Im Mycobacterium-tuberculosis-Komplex werden unter anderem Mycobacterium tuberculosis, M. africanum, M. bovis, M. microti, M. canetti zusammengefasst. Die Übertragung der Erreger erfolgt in der Regel aerogen von Mensch zu Mensch. Aus diesem Grund ist die frühzeitige Diagnose der Tuberkulose, im Idealfall bevor sich eine offene Lungentuberkulose (infektiöse Form) entwickelt sowie die rasch eingeleitete und konsequent über mindestens sechs Monate durchgeführte Kombinationstherapie zur Unterbrechung von Infektionsketten von besonderer Bedeutung.
Unbehandelt ist die Krankheit durch einen langen, schweren Verlauf gekennzeichnet, der initial häufig mit unspezifischen Symptomen wie Appetitverlust, subfebrilen Temperaturen, Nachtschweiß und Husten einhergeht. In Abhängigkeit von den betroffenen Organen ist eine vielfältige Symptomatik möglich. Schwere Verläufe gehen mit blutigem Auswurf (Hämoptoe), starker Blutarmut und Untergewicht einher. Bislang gibt es keinen wirksamen Impfschutz gegen Tuberkulose.
Den aktuellen Leitlinien zufolge besteht die Initialtherapie einer pulmonalen Tuberkulose bei Erwachsenen aus einer vierfachen Kombination von Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid – vorausgesetzt es gibt keine Risikofaktoren für eine Antibiotikaresistenz. Die Behandlung erfolgt für zwei Monate. Anschließend muss sie für weitere vier Monate mit Isoniazid und Rifampicin fortgesetzt werden. Alle Medikamente der Standardtherapie sollten von Beginn an gleichzeitig nüchtern eingenommen werden. Bei schlechter Verträglichkeit kann die Einnahme nach einem leichten, fettarmen Frühstück erfolgen. Bei einer Monoresistenz oder Unverträglichkeit wird das betroffene Medikament aus der Standardtherapie genommen und stattdessen ein anderes gegeben. Bei Polyresistenzen wird die Therapie komplizierter und dauert länger.
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