Trockene Haut verändert das Hautmikrobiom Deniz Cicek-Görkem, 15.02.2018 09:15 Uhr
Patienten mit Neurodermitis haben im Vergleich zu gesunden Menschen ein deutlich verändertes und weniger vielfältiges bakterielles Besiedlungsmuster der Haut. Das fanden Forscher der Christian-Albrechts-Universität (CAU) heraus.
Der Mensch ist nicht alleine mit seinem Körper, denn seine Haut ist Lebensraum vieler verschiedener Mikroorganismen. Wissenschaftler des Exzellenzclusters Entzündungsforschung an der CAU haben sich mit der Frage beschäftigt, wie sich kranke Hautstrukturen auf das Hautmikrobiom auswirken. In der im „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlichten Studie zeigt die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Stephan Weidinger, dass nicht nur Stellen mit akuten oder chronischen Ekzemen, sondern auch nicht entzündete Hautareale die Mikroben-Zusammensetzung der Haut verändern.
Die Zusammensetzung der Bakterien an verschiedenen Körperstellen ist unterschiedlich. Das Besiedlungsmuster ist unter anderem von Faktoren wie Feuchtigkeit, pH-Wert, Temperatur und Lipidgehalt der Haut abhängig. Das Zusammenwirken von Hautzellen, Immunzellen und den Mikroben sorgt dafür, dass die Haut ihre Barrierefunktion ausübt. Veränderungen im Mikrobiom können diese Funktion beeinflussen. Bislang war dieser von Neurodermitis-Patienten nur an den typischerweise betroffenen Körperstellen wie Kniekehlen und Armbeugen gut untersucht.
Den Forschern zufolge sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Körperregionen auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Hautlipide zurückführen. „Die natürlichen Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms an unterschiedlichen Körperstellen sind dann aufgehoben, und es entsteht ein typisches weniger vielfältiges Muster der bakteriellen Besiedelung, wenn die Hautentzündung chronisch wird“, sagt Erstautor Dr. Hansjörg Baurecht, der Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Weidinger an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH ) Kiel ist. Die epidermale Lipidzusammensetzung, insbesondere die Mengen an langkettigen ungesättigten freien Fettsäuren, korreliert den Ergebnissen zufolge stark mit der bakteriellen Zusammensetzung, insbesondere der Häufigkeit von Propionibakterien und Corynebakterien.
Die aktuelle Studie zeigt, dass Neurodermitis-Patienten eine verminderte Vielfalt von Bakterien und eine unterschiedliche Zusammensetzung von Staphylokokken-Stämmen haben. „Die Diversität, also die Bakterienvielfalt, und der Anteil bestimmter Staphylokokken nimmt von gesunder über trockene zu entzündeter Haut sukzessive ab, während bestimmte andere Stämme, insbesondere S. aureus immer mehr dominieren“, betont Baurecht. „Wirklich überraschend war, dass wir die für Gesunde typische körperstellenspezifischen Unterschiede im Hautmikrobiom auf akuten und chronischen Ekzemen von Neurodermitispatienten nicht mehr finden.“ Die Entzündung verändere das Hautmikrobiom massiv und unabhängig von der Körperstelle. „Das hatten wir in dem Ausmaß nicht erwartet.“
Die Pathogenese der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Neurodermitis ist nicht vollständig geklärt. Als Ursachen der werden genetische Disposition sowie Überreaktionen des Immunsystems diskutiert. Untersuchungen zeigen, dass bei Neurodermitis-Patienten die natürliche Barrierefunktion der Haut gestört sein könnte, was folglich in einer erhöhten Durchlässigkeit für allergene Substanzen resultiert. Eine gut untersuchte Störung ist der Mangel an Filaggrin. Das Protein spielt eine bedeutende Rolle in der Hautbarriere, da es die Keratinisierung und Strukturbildung der Haut fördert. Menschen mit einem angeborenem Filaggrinmangel entwickeln nicht zwangsläufig eine Neurodermitis, haben aber ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko. Die Wissenschaftler sehen das veränderte Hautmikrobiom als eine mögliche Ursache dafür.
„Unsere neuen Daten vertiefen das Verständnis der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Hautfunktion und bakterieller Besiedlung“, betont Weidinger, der der stellvertretende Direktor der Universitäts-Hautklinik Kiel und Leiter der Abteilung für entzündliche Hautkrankheiten ist. „Das Besiedlungsmuster der Haut ist bei Patientinnen und Patienten mit Neurodermitis generell verändert, und ist sowohl Ausdruck als auch Triggerfaktor der Entzündung und kann Ausgangspunkt für echte Infektionen sein.“