Jedes Jahr sterben mehr als 800.000 Menschen weltweit durch Suizid. Eine im „British Journal of Psychiatry“ veröffentlichte Meta-Analyse zeigt nun, dass es in Regionen mit hohen Lithium-Konzentrationen im Trinkwasser seltener zu Suiziden kommt. Das Leichtmetall könnte demnach auch in niedrigen Dosierungen präventiv wirken.
Lithium hat in der Medizin einen langen Werdegang hinter sich: Es wurde schon früh gegen verschiedenste Erkrankungen eingesetzt, darunter Gicht und Infektionskrankheiten – größtenteils jedoch erfolglos. 1949 wurden erstmals seine beruhigenden und abschirmenden Effekte im Tierversuch beschrieben. Seit den 1950er Jahren ist die Lithiumtherapie zur Behandlung und Prävention von Depressionen und bipolaren Störungen sowie zur Therapie von manischen Episoden etabliert.
Lithium ist jedoch nicht das Mittel der ersten Wahl, da die therapeutische Breite von Lithiumcarbonat sehr gering ist und es daher einer engmaschigen Überwachung bedarf. Eine Einstellung erfolgt einschleichend in Abhängigkeit von Serumspiegel und klinischem Ansprechen. Die notwendige Dosis kann von Patient zu Patient unterschiedlich sein – bei einem Lithium-Serumspiegel von 0,5 bis 1,2 mmol/l erreicht es in der Regel seine volle Wirksamkeit. Grundsätzlich sollte die minimale effektive Dosis angestrebt und erhalten werden, um mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden.
Lithium kommt in der Natur nicht elementar vor. Es ist jedoch in verschiedenen Gesteinen enthalten. Durch den Regen wird es schließlich ausgespült und gelangt so in die Nahrungskette: Fisch, Fleisch, Eier und Milchprodukte können Spuren des Leichtmetalls enthalten, aber auch das Trinkwasser kann lithiumhaltig sein. Im Vergleich zur therapeutischen Dosis sind die Mengen hier wesentlich geringer. Dennoch kommt es zu einer dauerhaften Aufnahme von kleinsten Mengen Lithium.
Durch die anhaltende Exposition über Jahre hinweg könnte Lithium Forschern zufolge ebenfalls Auswirkungen auf die Psyche haben. Der präventive Einfluss wird schon länger diskutiert: So zeigte eine US-Studie aus der 90er Jahren beispielsweise, dass es in Regionen mit erhöhtem Lithiumgehalt im Trinkwasser zu einer signifikanten Verringerung von Straftaten und Suiziden kam.
Eine großangelegte Meta-Analyse der Brighton & Sussex Medical School, welche 15 ökologische Studien umfasst, will nun erneut die suizidpräventive Wirkung ermittelt haben: Dabei wurde die Konzentration in einer Region mit der Zahl der Suizide in Verbindung gesetzt. Insgesamt wurde von den Wissenschaftlern eine protektive Assoziation zwischen der Konzentration im Grundwasser und der Suizidrate in der Bevölkerung festgestellt. Bei Männern sei die Auswirkung stärker gewesen als bei Frauen.
Grundsätzlich ist die Aussagekraft der Analyse jedoch begrenzt: Denn Lithium wird nicht nur über das Trinkwasser, sondern auch über Nahrungsmittel aufgenommen. Unklar bleibt bei solchen Studien also, wie groß der über das Trinkwasser aufgenommene Lithium-Anteil war. Außerdem wird die Lithium-Konzentration nur vereinzelt im Trinkwasser bestimmt. Für eine höhere Aussagekraft müsste Lithium in verschiedenen Regionen gezielt dem Trinkwasser zugesetzt werden – die Forscher befürworten eine solche Studie, da Suizide ein zunehmendes Problem seien.
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