Topische Hormontherapie: Risiko für Kind und Hund? APOTHEKE ADHOC, 07.07.2022 15:02 Uhr
Personen, die Hormonpräparate dermal auftragen, sollten darüber aufgeklärt werden, dass die Präparate eine gewisse Zeit brauchen, um in die Haut einzudringen. Auch nach dem vollständigen Einziehen können Rückstände verbleiben, die dazu führen, dass im Haushalt lebende Kinder oder Haustiere mit den Wirkstoffen in Berührung kommen können. Im aktuellen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit weist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erneut auf das Risiko hin und gibt Empfehlungen.
Das Thema ist nicht neu – bereits seit Jahrzehnten sind die Übertragungen von Hormonpräparaten auf im selben Haushalt lebende Personen und Tiere bekannt. Dennoch muss man immer wieder auf das potenzielle Risiko aufmerksam machen. Auch Apotheker:innen und PTA können Anwender:innen von Hormonpräparaten über Auswirkungen einer akzidentellen Übertragung informieren.
Immer mehr Hormon-Verordnungen
Schaut man in den Verordnungsreport, so zeigt sich, dass dermale Hormontherapien immer häufiger verschrieben werden, sowohl Testosteron als auch Östrogen. Im Jahr 2020 ist das Verordnungsvolumen bei Testosteron im Vergleich zum Vorjahr von 6 Millionen DDD auf 27,6 Millionen DDD gestiegen. Auch bei den Östrogenen ist eine gesteigerte Abgabe zu erkennen. Im Jahr 2020 wurden 8,1 Prozent mehr DDD abgegeben als 2019. Das Thema der akzidentellen Übertragung betrifft also immer mehr Menschen.
Die meisten Hormone werden von den Anwender:innen auf die Arme aufgetragen. Bei männlichem Hypogonadismus wird das Präparat auf die Innenschenkel aufgetragen. Je nach Galenik benötigen die Produkte mehr Zeit zum Einziehen. In den ersten Minuten bis zum „Trocknen“ kann es am leichtesten zu einer Übertragung kommen. Auch nach acht Stunden, so das Ergebnis einer Studie, können noch 50 Prozent des Wirkstoffes auf der Haut vorhanden sein. Vor allem für Babys und Kleinkinder, sowie einige Haustiere stellen die Hormone ein Risiko dar.
Beratungstipp 1: Nach einer gewissen Zeit ist keine oder nur noch eine sehr geringe weitere Resoprtion des Produktes zu erwarten. Die Gele können dann abgewaschen werden. Bei alkoholischen Testosteron-Gelen können bereits nach dem Verfliegen des Alkohols davon ausgegangen werden, dass keine Resorption mehr stattfindet. Hier kann laut Studienergebnissen bereits nach 10 Minuten abgewaschen werden.
Kommen Kinder in Kontakt mit den dermalen Hormonen, so zeigt sich das oft in sexueller Frühreife oder vorzeitiger Pubertät. Es liegen zahlreiche Studien aus den letzten Jahren vor, die sich mit den möglichen Symptomen eines ungewollten Kontakts auseinandersetzen. Weitere mögliche Symptome sind eine vergrößerte Klitoris, ein vergrößerter Penis oder Schambehaarung. Der erste Fall wurde bereits Ende der 60er-Jahre beschrieben. Bis heute werden Fallberichte zu dem Thema untersucht. Das PEI bezieht sich auch auf jüngste Untersuchungen aus 2021.
Beratungstipp 2: Auch in der Wäsche können sich Reste befinden. Kleidung, die mit den behandelten Körperstellen in Kontakt gekommen ist, sollte umgehend in einen Wäscheeimer gelegt werden, sodass weder Kinder noch Tiere Zugang haben. Einige Hunde lieben „dreckige“ Wäsche und wälzen sich in ihr, sollte diese in Haufen auf dem Boden liegen. Das sollte auf jeden Fall vermieden werden.
Auch bei Haustieren liegen Fallberichte vor. Die meisten Dokumentationen liegen zu Hunden vor. Hier zeigt sich eine Übertragung unter anderem durch vorzeitige Pubertät, Vulvaschwellung, Alopezie oder Zitzenvergrößerung. Allgemein lässt sich sagen, dass Fleischfresser wie Hunde, Katzen und Frettchen um einiges empfindlicher auf die Hormon-Exposition reagierten als Pflanzenfresser wie Hasen und Meerschweinchen. Das PEI geht davon aus, dass das aktuell bekannte Risiko einer Übertragung topisch applizierter Sexualhormone auf Haustiere möglicherweise nicht hinreichend bekannt ist oder unterschätzt wird.
Beratungstipp 3: Am besten werden die behandelten Stellen mit Stoff abgedeckt. Bei der Behandlung der Oberarme empfiehlt es sich also, ein Langarm-Shirt zu tragen. Zumindest für die erste Zeit. Übrigens: Da Sonnencreme die Resorption einiger Produkte auch bei zeitlichem Abstand verändern kann, sollte die behandelte Stelle besser nicht mit UV-Filtern in Berührung kommen und besser mit Stoff abgedeckt werden.