Tolperison: Ärzte ignorieren Widerruf APOTHEKE ADHOC, 03.06.2020 10:52 Uhr
Die Zulassungsinhaber tolperisonhaltiger Arzneimittel erinnern in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mittels Rote-Hand-Brief erneut an die negative Nutzen-Risiko-Bewertung bei Off-Label-Anwendung.
Seit 2013 ist Tolperison nur noch zur symptomatischen Behandlung der Spastizität nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen zugelassen – denn nur in dieser Indikation überwiegt der Nutzen die möglichen Risiken. Das ergab ein damals durchgeführtes Risikobewertungsverfahren, in das Daten aus klinischen Studien und Erfahrungen seit der Vermarktung einbezogen wurden.
Einige Zulassungen, darunter Erkrankungen des Bewegungsapparates muskuloskelettalen Ursprungs, wurden aufgrund dieser Bewertungen damals widerrufen. Die Anwendung erfolgt bei diesen Indikationen seitdem nur noch im Off-Label-Use. Nun wird durch den Rote-Hand-Brief erneut vor der Anwendung außerhalb des Zulassungsbereichs gewarnt.
Verschreibungsverhalten nicht geändert
Denn eine kürzlich durchgeführte Evaluation mit Daten aus verschiedenen europäischen Ländern deutet darauf hin, dass sich das Verschreibungsverhalten für Tolperison seit der Indikationseinschränkung nicht tiefgreifend geändert hat und Tolperison weiterhin in den damals widerrufenen Indikationen verordnet wird. Die Behandlung mit Tolperison außerhalb der zugelassenen Indikation setzt den Patienten allerdings einem Risiko – beispielsweise für Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen und anaphylaktischem Schock – bei einem nicht nachgewiesenen Nutzen aus. Daher wird erneut vor der Verordnung im Off-Label-Use gewarnt.
Zudem sollten Angehörige der Gesundheitsberufe auch bei der Verordnung von Tolperison in der zugelassenen Indikation die Patienten auf das mögliche Risiko der Entwicklung von Überempfindlichkeitsreaktionen und die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen beim Auftreten solcher Reaktionen hinweisen.