Tödliche Kombi: Loperamid und Tonic Nadine Tröbitscher, 09.09.2024 15:00 Uhr
Werden bestimmte Lebensmittel mit Arzneimitteln kombiniert, sind Wechselwirkungen möglich. Wie groß die Gefahr sein kann, zeigt die Kombination aus Loperamid und Tonic Water. Die Folge: eine tödliche Vergiftung.
Ein Ärzteteam der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Ludwigsburg berichtet über den Tod einer Patientin infolge einer Vergiftung, nachdem sie Loperamid eingenommen und zuvor Tonic Water getrunken hatte.
Was war passiert?
Die ansonsten gesunde Patientin erkrankte an einer Gastroenteritis. Die 25-Jährige litt unter akuten Beschwerden wie Durchfall, Erbrechen und starken Bauchschmerzen. Der ärztliche Notdienst verschrieb Loperamid zur Linderung der Symptome. Wie verordnet, nahm die Frau zwei Tabletten Loperamid zu je 2 mg ein – kombiniert mit 600 mg Ibuprofen gegen die Schmerzen. Als sich die Symptome nicht besserten, nahm die Patientin weitere 2 mg Loperamid ein. Kurze Zeit später fand sie ihr Partner nicht mehr ansprechbar vor und rief den Notarzt. Dieser stellte einen Kreislaufstillstand fest. Die Frau erhielt Adrenalin, wurde intubiert und ins Krankenhaus gebracht.
Nach zahlreichen Untersuchungen lautete der Befund: hypoxischer Hirnschaden. Organische Ursachen für den Hirntod der Patientin wurden ausgeschlossen. Da auch keine anderen pathologischen Befunde vorlagen, gingen die Ärzt:innen von einer Intoxikation aus. Zudem wurd ein Drogenscreening durchgeführt. Allerdings wurden nur Chinin und Loperamid nachgewiesen.
Der Grund: Die Frau trank sehr gerne Chinin-haltige Getränke und hatte allein am Vortag etwa 2,5 Liter Tonic Water konsumiert, was vermutlich zu der tödlichen Vergiftung führte. Tonic enthält je nach Sorte zwischen 60 und 80 mg Chinin pro Liter, was mit Loperamid in Wechselwirkung trat.
Tonic + Loperamid = Vergiftung
Loperamid zählt zu den synthetischen Opioiden und kommt zur symptomatischen Behandlung von Diarrhoe zum Einsatz. Die Wirkung geht auf eine Bindung an Opioidrezeptoren der Darmwand zurück, die zu einer Hemmung der Prostaglandin- und Acetylcholin-Freisetzung führt. Loperamid wirkt zunächst peripher und passiert die Blut-Hirn-Schranke gut. Über Effluxpumpen von P-Glykoprotein-Typ wird der Wirkstoff jedoch wieder schnell aus dem Gehirn transportiert, sodass sich kaum eine zentrale Wirkung entfalten kann. Das Risiko einer Opiatintoxikation ist somit verringert.
Chinin gehört neben Amiodaron, Azithromycin, Clarithromycin, Ciclosporin, Ketoconazol und Co. zu den Wirkstoffen, die P-Glykoprotein hemmen. Dieser Effekt wird den Expert:innen zufolge in der Drogenszene häufig ausgenutzt, um eine zentrale Wirkung von Loperamid zu erreichen. Dafür genügt laut Berichten schon eine Menge von rund 200 mg Chinin in Kombination mit 1 mg Loperamid. Aufgrund des Missbrauchs sind Chinin-haltige Medikamente seit dem 1. April 2015 in Deutschland verschreibungspflichtig.
Im vorliegenden Fall hatte die Patientin rund 170 mg Chinin aufgenommen, was den Expert:innen zufolge ausreichte, um eine ausgeprägte zentrale μ-Rezeptor-Wirkung von Loperamid auszulösen, da dieses nicht aus dem Gehirn abtransportiert werden konnte und zudem mit 6 mg in einer weitaus höheren Dosis eingenommen wurde. Die Folge: eine tödliche Vergiftung.
Die Expert:innen sprechen sich daher dafür aus, Patient:innen im Rahmen der Loperamid-Verordnung entsprechend zu informieren und vor dem Risiko in Verbindung mit Chinin-haltigen Produkten zu warnen.