Adipositasbehandlung

Tirzepatid übertrifft Semaglutid beim Gewichtsverlust dpa, 08.07.2024 17:21 Uhr

Etwa 82 Prozent der mit Tirzepatid behandelten Personen erzielten mindestens 5 Prozent Gewichtsverlust, im Vergleich zu rund 67 Prozent bei Semaglutid. Foto: millaf/stock.adobe.com
Bellevue - 

Eine vergleichende Studie bestätigt, dass sich mit dem Wirkstoff Tirzepatid ein stärkerer Gewichtsverlust erreichen lässt als mit Semaglutid. Das Nebenwirkungsrisiko beider Substanzen sei vergleichbar, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal „JAMA Internal Medicine“. Aussagen zu Langzeitfolgen sowie zum Erreichen wichtiger Ziele wie einem verringerten Risiko für Herzinfarkte ließen sich aus der Analyse aber nicht ableiten.

Beide Wirkstoffe werden schon länger zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes und seit 2023 auch bei übergewichtigen oder adipösen Menschen ohne Diabetes eingesetzt – wobei Patienten begleitend ihre Ernährung umstellen und sich mehr bewegen sollen. Tirzepatid zur Gewichtsreduktion ist in Deutschland unter dem Handelsnamen Mounjaro erhältlich, Semaglutid als Wegovy.

Tirzepatid und Semaglutid im Vergleich

Die Forschenden um Nicholas Stucky vom US-Unternehmen Truveta in Bellevue, das auf die Analyse elektronischer Gesundheitsdaten spezialisiert ist, nutzten Daten von gut 18.000 Erwachsenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit, die in den USA mit Semaglutid oder Tirzepatid behandelt wurden. Ihr Durchschnittsalter betrugt 52 Jahre, das mittlere Gewicht zu Beginn der Therapie 110 Kilogramm.

Erfasst wurde, ob ein Gewichtsverlust von mindestens 5, 10 oder 15 Prozent erreicht wurde und wie sich das Gewicht nach drei, sechs und zwölf Monaten Therapie entwickelt hatte. Patient:innen, die Tirzepatid erhielten, erreichten merklich häufiger einen Gewichtsverlust. Zudem waren die Veränderungen des Gewichts bei ihnen im Mittel größer.

Die Ergebnisse bestätigen Hinweise aus früheren Studien, wie die Forschenden erläutern. Einige Daten im Detail: Knapp 82 Prozent der mit Tirzepatid behandelten Männer und Frauen erreichten 5 Prozent oder mehr Gewichtsverlust, mit Semaglutid waren es rund 67 Prozent. Eine Reduktion um 15 Prozent oder mehr erreichten rund 42 Prozent (Tirzepatid) und 18 Prozent (Semaglutid). Die Rate an Magen-Darm-Problemen wie Übelkeit, Durchfall und Verstopfung als Nebenwirkung war bei beiden Gruppen ähnlich.

Übergewichtige verlieren mehr Kilos

Die Studie bestätigte auch, dass übergewichtige Menschen ohne Typ-2-Diabetes im Mittel mehr Gewicht verlieren als Patienten mit dieser Diagnose. „Die Gründe dafür sind unklar“, so die Forschenden. Eine mögliche Ursache sei eine unterschiedliche Motivation zur Gewichtsabnahme, verbunden damit, stärker nötige Änderungen wie eine andere Ernährung und mehr Bewegung anzugehen. Sprich: Menschen, die damit ihre Kilos purzeln lassen wollen, engagieren sich womöglich mehr als Menschen, für die die Stoffe nur Teil der regulären Diabetes-Behandlung sind.

Einschränkend gibt das Team um Stucky zu bedenken, dass für die Studie die Behandlung mit Medikamenten betrachtet wurde, die zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen sind. „Künftige Studien sind erforderlich, um Versionen zu vergleichen, die zur Gewichtsreduktion zugelassen sind.“ Nötig seien zudem Analysen dazu, wie gut die Wirkstoffe im Vergleich Herz-Kreislauf-Probleme und andere Folgen von Übergewicht vermindern.

Hohe Abbruchquote

Erwähnt wird zudem ein auffälliges Detail: Bei mehr als der Hälfte der einbezogenen Frauen und Männern endete die Behandlung, weil sie vom jeweiligen Patient:in abgebrochen wurde. Der Anteil unterschied sich dabei bei Tirzepatid und Semaglutid wenig. Der jeweilige Grund wurde nicht erfasst, erläutern die Forschenden. Denkbar seien unter anderem unerwünschte Nebenwirkungen, die hohen Kosten der selbst zu zahlenden Therapie oder Engpässe bei der Erhältlichkeit der Präparate.

Die hohe Abbruch-Rate ist vor allem deshalb bedenklich, weil mehrere Studien gezeigt haben, dass es dann zum Jo-Jo-Effekt kommt: Das Gewicht steigt nach dem Absetzen wieder deutlich. Die Wirkstoffe müssen für einen anhaltenden Effekt also quasi lebenslang verwendet werden – wobei die Langzeitfolgen noch unklar sind.