Thromboserisiko

Ärzte: Neue Kontrazeptiva nicht schlechter Laura Spiesecke, 29.09.2015 15:24 Uhr

Düsseldorf - 

In Dänemark sind die modernen Kontrazeptiva unbeliebt: Die Kombinationspräparate der 3. Generation werden seit Jahren immer seltener verordnet, die 4. Generation hat sich nie wirklich durchgesetzt. In Deutschland sieht der Markt ganz anders aus. Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und die Deutsche Gesellschaft Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) verteidigen Yasmin, Valette & Co.

Die dänische Arzneimittelbehörde rät Ärzten seit Jahren, Präparate der 2. Generation mit dem Gestagen Levonorgestrel zu verschreiben. Bei den neueren Präparaten sei das Thromboserisiko deutlich erhöht. Diese Einschätzung teilen die Gynäkologen hierzulande nicht: Mit sechs bis acht Fällen auf 10.000 Frauenjahre sei das Risiko insgesamt relativ gering und stark von Alter, Gewicht und kardiovaskulären Risikofaktoren abhängig, schreiben die Präsidenten von BVF und DGGEF, Dr. Christian Albring und Professor Dr. Thomas Rabe, in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Viele Frauen vertrügen die neueren Pillen deutlich besser; bei älteren Generationen käme es häufiger zu Kopfschmerzen und Schmerzen während der Periode. Hinzu kämen die positiven Nebeneffekte der antiandrogenen Wirkstoffe Dienogest, Chlormadinon, Cyproteron und Drospirenon auf Haut und Haare: Etwa 40 bis 60 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 25 Jahren litten unter Akne, Seborrhoe, Hirsutismus oder Haarausfall. „Für diese Patientengruppe stellt die Anwendung von antiandrogenhaltigen Pillen eine wirkungsvolle Hilfe dar“, so Albring und Rabe mit Blick auf die Lebensqualität der Betroffenen.

Auf einen Zusammenhang zwischen Wirkstoffkombination und Thromboserisiko schließen könne man nicht; die bisherigen Beobachtungsstudien ergäben kein klares Bild: So nehmen den beiden Medizinern zufolge viele Patientinnen bei der Einnahme von Kontrazeptiva der 2. Generation infolge der Wassereinlagerung an Gewicht zu. Übergewichtigen Frauen verschreibe man daher eher die neueren Präparate – das höhere Thromboserisiko könne daher ein rein statistischer Effekt sein.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Anfang 2014 in einem Rote-Hand-Brief darauf hingewiesen, dass vor allem im ersten Jahr der Einnahme das Thromboserisiko bei den neueren Kombinationen erhöht sei. Trotzdem entfallen laut der Zahlen von IMS Health die meisten Verordnungen auf Präparate der 3. und 4. Generation.

Von den insgesamt über 13,3 Millionen verschriebenen Packungen bei den Einphasenpräparaten waren knapp 7,4 Millionen Präparate der 4. Generation und 1,2 Millionen Präparate der 3. Generation. Zusammengenommen ergeben die 8,6 Millionen Packungen einen Anteil von fast 65 Prozent am Kontrazeptiva-Markt. Auf Präparate der 2. Generation entfallen insgesamt 4,4 Millionen Verschreibungen.

Laut Albring und Rabe ist das Bewusstsein unter den Frauenärzte hoch, was die Risiken und Symptome angeht. „Das ist gut“, so die Präsidenten der beiden Fachgesellschaften. Sie weisen auch darauf hin, dass hierzulande etwa 10.000 Frauenärzte die Patientinnen betreuen. In Dänemark würden Kontrazeptiva hingegen von Hausärzten verordnet: Weniger als 100 niedergelassene Gynäkologen bei 5,6 Millionen Einwohnern entsprächen lediglich 1430 Fachärzten in Deutschland. Bei der Versorgungssituation und den bisher nicht eindeutigen Studienergebnisse wäre es laut den deutschen Fachärzten keinesfalls gerechtfertigt, die neueren Generationen zu boykottieren.