Bei diagnostizierter Hypertonie stehen zahlreiche Substanzklassen für die Behandlung zur Verfügung. Häufig wird die Therapie mit einem ACE-Hemmer begonnen. Eine im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichte Auswertung zeigt jedoch, dass eine Initialtherapie mit Thiaziddiuretika noch effektiver sein könnte.
In der EU wurde die Hypertonie-Leitlinie im vergangenen Jahr überarbeitet:Patienten sollen bereits zu Beginn ihrer Behandlung eine Kombinationstherapie erhalten, statt zuerst mit einer Monotherapie zu beginnen. Generell stehen zur Behandlung jedoch verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung: Je nach Begleiterkrankungen, kann zwischen ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten, Thiaziddiuretika, sowie Calciumkanalblockern ausgewählt werden. Alle Substanzklassen verfügen über unterschiedliche Wirkmechanismen, vergleichende Studien zur Wirksamkeit gibt es jedoch kaum. Um dennoch Hinweise zu erhalten, wurden nun die Daten von mehreren Millionen Patienten verglichen.
Das internationale Forscherteam des Projektes „Legend“ wertete die Daten von 4,9 Millionen Patienten aus, bei denen die Behandlung der arteriellen Hypertonie mit einer Monotherapie begonnen wurde. Dazu wurden neun verschiedene Datenbanken miteinbezogen. Um Fehlerquellen zu vermeiden, wurden nur Patienten mit gleichen Eigenschaften verglichen. Die primären Endpunkte waren das Auftreten eines Myokardinfarkts, Schlaganfalls oder Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz.
Die Auswertung der Daten zeigte, dass Patienten, welche zu Beginn mit einem Thiaziddiuretikum behandelt wurden, alle drei Endpunkte seltener erlitten als solche, die einen ACE-Hemmer erhalten hatten: Das Risiko einen akuten Myokardinfarkt zu erleiden war ebenso signifikant reduziert wie Schlaganfälle oder Krankenhausaufenthalte wegen einer Herzinsuffizienz.
Das Erstaunliche: Bei knapp der Hälfte der Patienten wurde die Behandlung mit einem ACE-Hemmer begonnen – 48 Prozent wurden mit dieser Substanzgruppe therapiert. Nur 17 Prozent erhielten ein Thiaziddiuretikum, um die Behandlung der Hypertonie einzuleiten. Umgerechnet hätten den Forschern zufolge somit mehr als 3000 kardiovaskuläre Ereignisse möglicherweise vermieden werden können – wenn die Behandlung bei 2,4 Millionen Patienten mit einem Thiaziddiuretikum statt mit einem ACE-Hemmer begonnen worden wäre.
ACE-Hemmer inhibieren das „Angiotensin Converting Enzyme“: Dieses wandelt Angiotensin I zu Angiotensin II um. Angiotensin II ist wichtiger Bestandteil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, welches den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt reguliert und somit Einfluss auf den Blutdruck nimmt. Nach einigen enzymatischen Spaltungen entsteht im letzten Schritt schließlich mithilfe des ACE Angiotensin II. Wird dieses Enzym blockiert, wird schließlich die Umwandlung gehemmt und die Bildung von Angiotensin II reduziert. Durch diese Verringerung erweitern sich die Blutgefäße, der Widerstand nimmt ab und das Herz muss weniger Pumpkraft leisten – dadurch wird das Herz insgesamt geschont. Ramipril, Captopril und Lisinopril sind die bekanntesten Vertreter.
Thiazid-Diuretika besitzen harntreibende, blutdrucksenkende und antiödematöse Eigenschaften. Daher werden sie nicht nur zur Behandlung der Hypertonie, sondern auch bei Herzinsuffizienz und Ödemen eingesetzt. Die Effekte beruhen auf der Hemmung des Na+/Cl-- Cotransporters in der Niere: Die Ausscheidung beider Ionen und Wasser wird dadurch verstärkt. Bekanntester Vertreter der Gruppe ist der Wirkstoff Hydrochlorothiazid – kurz HCT – welcher zuletzt wegen seiner Photosensibilisierung der Haut und einem damit verbundenen erhöhten Risiko für die Entstehung von Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen in den Fokus geriet.
APOTHEKE ADHOC Debatte