Teva kickt Spiriva raus Patrick Hollstein, 24.08.2016 15:03 Uhr
Gerade erst in den Apotheken angekommen, hat es das COPD-Medikament Braltus (Tiotropiumbromid) aus dem Stand zum Schnelldreher geschafft. Denn um dem Original Spiriva sofort Konkurrenz machen zu können, hat Teva im Vorfeld zahlreiche Open-house-Verträge geschlossen. Einige Patienten müssen sogar sofort umgestellt werden, weil der Newcomer schon Exklusivpartner ihrer Kasse ist. In vielen Apotheken gibt es noch Fragen zur Austauschbarkeit.
Spiriva ist das am häufigsten gegen chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) verschriebene Medikament. Laut Arzneiverordnungsreport wurde das Präparat 2014 rund 2,1 Millionen Mal auf Kassenrezept verordnet (Rang 42) und verursachte Nettokosten von 274 Millionen Euro (Rang 6).
2002 zugelassen, ist der Wirkstoff patentfrei. Allerdings verhinderte die Applikationsart bislang generische Konkurrenz: Spiriva kommt als Kapsel, deren Inhalt mittels Pulverinhalator (Handihaler) eingeatmet wird. Alternativ gibt es eine Variante, bei der der Wirkstoff gelöst ist und fein vernebelt wird (Respimat).
Teva hat für Braltus mit Zonda einen eigenen Inhalator entwickelt. Wegen der unterschiedlichen Technologie sind in den Kapseln unterschiedliche Mengen Wirkstoff enthalten. Dies hat in Arztpraxen und Apotheken bereits für Verwirrung gesorgt, zumal auf den Verpackungen beider Produkte unterschiedliche Angaben stehen.
So enthält Spiriva 22,5 µg Tiotropiumbromid-Monohydrat pro Kapsel, das entspricht 18 µg Tiotropium-Äquivalent. Bei Braltus sind dagegen 16 µg Tiotropiumbromid enthalten, entsprechend 13 µg Tiotropim. Am Mundstück kommt laut Teva aber dieselbe Menge an: Die abgegebene Dosis ist in beiden Fällen 10 µg Tiotropium.
Teva hat als Teil der Zulassungsauflagen für die Fachkreise eine Broschüre erstellt, in denen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Produkte erklärt werden. Demnach muss beim Wechsel einfach die bisherige Dosierung von einer Kapsel pro Tag beibehalten werden. Bei Missverständnissen bestehe ein potenzielles Risiko für Medikationsfehler, heißt es.
Nicht alle Patienten müssen sofort umgestellt werden. Bei der Barmer GEK und verschiedenen BKKen sind sowohl Spiriva als auch Braltus als Rabattarzneimittel gelistet. Bei der DAK Gesundheit, der Techniker Krankenkasse (TK), der IKK classic sowie der AOK Nordost und der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland ist Teva exklusiver Rabattpartner. Bei der AOK Niedersachsen wiederum darf nur das Original abgegeben werden.
Braltus gibt es in drei Verpackungsgrößen mit 30, 60 und 90 Hartkapseln; zusätzlich gibt es eine Klinikpackung mit 15 Stück. Der Apothekenverkaufspreis (AVP) für 30 Hartkapseln und einen Inhalator beträgt 57,52 Euro, 90 Hartkapseln und drei Inhalatoren kosten 108,59 Euro. Damit ist das Generikum mehr als 15 Prozent günstiger als das Original und liegt damit auf dem Niveau der Reimporte.
Tiotropium ist ein inhalativer, langwirksamer anticholinerger Bronchodilatator, der die verengten Atemwege für mindestens 24 Stunden erweitert. Bei COPD ist die Lunge chronisch erkrankt, weil die Atemwege entzündet und dauerhaft verengt (obstruktiv) sind. Eine Heilung ist nicht möglich, ein rasches Fortschreiten der Erkrankung kann aber oft verhindert werden. Vor allem Raucher, aber auch Passivraucher können erkranken.
Nach Angaben der Deutschen Atemwegsliga haben allein in Deutschland bis zu fünf Millionen Menschen COPD. Weltweit sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 64 Millionen Menschen betroffen. Die WHO schätzt, dass COPD bis 2030 weltweit zu den dritthäufigsten Todesursachen zählen wird.